Politik

3 Jahre Brexit: Geplatzte Träume

Drei Jahre ist es nunher, dass Großbritannien die EU verließ. Die konservative Regierung versprach den Menschen eine bessere Zukunft.Das hat sich nicht erfüllt.


"Der Brexit hat das Vereinigte Königreich fertig gemacht", steht auf dem Plakat dieses Mannes in London, der ganz offensichtlich kein Freund des britischen Alleinganges ist.

"Der Brexit hat das Vereinigte Königreich fertig gemacht", steht auf dem Plakat dieses Mannes in London, der ganz offensichtlich kein Freund des britischen Alleinganges ist.

Von Susanne Ebner

Vor drei Jahren nahm Boris Johnson vor einem Kamin in der Downing Street Nummer 10 Platz, um der Nation mitzuteilen, was er unter dem Brexit versteht. "Das ist nicht das Ende, das ist ein Anfang", sagte der damalige Premierminister Großbritanniens. Dabei ballte er die linke Hand zu einer Faust, ganz so als würde er nicht nur den Briten, sondern auch sich selbst Mut zusprechen.

Es war der Abend des 31. Januar 2020. Jener Tag, als Großbritannien nach jahrelangen, zähen Verhandlungen schließlich offiziell aus der Europäischen Union austrat.

Seitdem ist viel passiert. Die Pandemie sowie der Krieg in der Ukraine und dessen wirtschaftliche Folgen haben auch Großbritannien auf eine harte Probe gestellt. Ganz zu schweigen von den politischen Unruhen in den Reihen der Tories: Zwar wurde Johnson im Juli 2022 wegen wiederholten Fehlverhaltens aus dem Amt gejagt, es war jedoch vor allem der Brexit, der die Partei weiter spaltete.

"Vor dem Brexit haben wir das Schlimmste befürchtet - und dann kam es auch so", sagt Andrew Lang vom Unternehmen "Cycloc".

"Vor dem Brexit haben wir das Schlimmste befürchtet - und dann kam es auch so", sagt Andrew Lang vom Unternehmen "Cycloc".

Ideologisch gegensätzliche Fraktionen waren mehr damit beschäftigt, sich zu bekämpfen, als zu regieren, beklagten Beobachter.

Unternehmen
kämpfen weiterhin mit der Bürokratie

Dass der Brexit dem Königreich geschadet hat, räumt man mittlerweile sogar in den Reihen der Tories ein, wenn auch hinter vorgehaltener Hand. Das Land befindet sich in einer Rezession, der Lebensstandard sinkt.

"Der Brexit kostet Geld. Die Wirtschaftskraft Großbritanniens ist fünf bis sechs Prozent geringer, als sie sonst hätte sein können", sagte Ulrich Hoppe von der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer (AHK) in London der AZ. "Das bestreitet eigentlich keiner mehr."

Anders als früher die Ex-Premierminister Liz Truss oder Boris Johnson schlug Finanzminister Jeremy Hunt am Freitag dementsprechend zurückhaltende Töne im Rahmen einer Rede im Zentrum Londons an. Sein Plan für Wachstum sei "durch den Brexit erforderlich, angeregt und ermöglicht", sagte er. Drei Jahre nach dem Austritt aus der EU, ist die Regierung immer noch damit beschäftigt, die Lage in den Griff zu bekommen, statt echten Wandel zu bringen, urteilen Experten.


Wie die Regierung versuchen auch viele Unternehmen, die Produkte in die EU exportierten, seit dem Brexit einen neuen Kurs einzuschlagen. Eines von ihnen ist "Cycloc", ein Hersteller von Fahrrad-Aufhängern. "Vor dem Brexit haben wir das Schlimmste befürchtet", sagte der Gründer Andrew Lang. "Und dann kam es auch so." Nach dem Ausstieg aus der EU seien die Gesamtumsätze um 25 Prozent gesunken.

"Unternehmen kämpfen weiterhin mit der Bürokratie, mit den Papieren, den Formularen", bestätigte Hoppe von der AHK. Überdies habe der Brexit den Fachkräftemangel verstärkt, vorrangig in den unteren Lohnbereichen. Schließlich verließen während der Pandemie viele Europäer das Land, wenige kamen wieder, so Hoppe. Von den Folgen betroffen sind unter anderem Restaurants, aber auch das ohnehin schon stark unter Druck stehende nationale Gesundheitssystem NHS.

Immer mehr Unternehmer machen ihrem Frust öffentlich Luft. Der Besitzer der Londoner Restaurants "Padella" und "Trullo", Jordan Frieda, musste kürzlich seine Öffnungszeiten reduzieren, wegen des Mangels an Kellnern. Er bezeichnete dies als das traumatischste Ereignis seiner Karriere. Die Situation träfe ihn stärker als Covid und die Energiekostenkrise.

Der Industrie-Designer Andrew Lang möchte sich seinen Optimismus jedoch nicht nehmen lassen. Sein Betrieb verkauft viele seiner Produkte aktuell statt an einzelne Kunden eher auf Vertragsbasis. "Das gibt sowohl uns als auch dem Kunden mehr Planungssicherheit", erklärte er. Und auch Hoppe bleibt zuversichtlich. "Großbritannien bleibt ein attraktiver Wirtschaftsstandort."

Die Tories liegen in Umfragen weit hinter der Labour-Partei

Für die Tories sieht die Zukunft jedoch düster aus. Sie liegen in den Umfragen weit hinter der Labour-Partei. Es gilt als wahrscheinlich, dass die konservative Partei die nächste Regierungswahl - regulär spätestens Anfang 2025 - nicht gewinnt.

Selbst der konservative "Telegraph" räumte dieser Tage ein, dass durch den Brexit nichts erreicht worden sei. Der Traum vom neuen Anfang scheint ausgeträumt.