Die AZ war zu Besuch

Hilfsorganisation MfM in Äthiopien: "Wir wollen ein besseres Leben"


AZ-Reporterin Jasmin Menrad ist die Attraktion an einer Schule in der Region Dano. Hunderte Kinder folgen ihr.

AZ-Reporterin Jasmin Menrad ist die Attraktion an einer Schule in der Region Dano. Hunderte Kinder folgen ihr.

Von Michael Schleicher / Online

Am Sonntag reist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nach Äthiopien - die AZ war mit einer Hilfsorganisation schon da und hat im ländlichen Äthiopien Frauen getroffen, die sich raus aus der Armut arbeiten.

Addis Abeba - Während Ministerpräsident Markus Söder am Sonntag mit seiner Delegation nach Äthiopien reist, wird Mesay Mideksa (40) eines ihrer sechs Kinder mit den Kühen zum Grasen und eines mit dem 20-Liter-Kanister zum Wasserholen schicken. Sie wird Butter machen, die sie auf dem Markt verkauft und Injera, das gesäuerte Fladenbrot.

Mesay Mideksa und ihre Familie werden in ihrem Fernseher sehen, dass ein Politiker aus Deutschland in der Hauptstadt Addis Abeba weilt. Aber Addis ist weit weg. Sechs Stunden mit dem Auto über Schotterpisten und Asphaltstraßen, auf denen die Ziegen im Schatten der Bäume liegen. Mesay Mideksa hat kein Auto.

Nach Dano kommt kein Minsterpräsident

Mesay Mideksa und ihr Mann Abera Gossa mit drei ihrer sechs Kinder.

Mesay Mideksa und ihr Mann Abera Gossa mit drei ihrer sechs Kinder.

Die Familie lebt 250 Kilometer westlich von Addis in der Region Dano, die etwa so groß ist wie der Landkreis München. 114.000 Menschen leben auf dem Hochplateau - sie betreiben Landwirtschaft. Nach Dano kommen keine Touristen und kein bayerischer Ministerpräsident, aber Hilfsorganisationen wie Karlheinz Böhms "Menschen für Menschen" (MfM).

Seit 2013 führt die Stiftung in Dano ein integriertes ländliches Entwicklungsprojekt. Die Menschen hier sind sehr arm: kein sauberes Wasser, keine Bildung, keine Ärzte. Es ist kein romantisches, ländliches Leben. Die Menschen sind damit beschäftigt, ihr Überleben zu sichern. Denn die nächste Dürre kommt bestimmt.

Der Boden ist durch Abholzung und Überweidung stark erodiert und ausgelaugt. Die Bauern verwenden veraltetes Gerät und überholte Technik. Mädchen sind für das Holzsammeln und Wasserholen zuständig und können oft keine Schule besuchen.

Kuh-Kauf per Mikrokredit

Mesay Mideksa kann ihren Namen schreiben. "Sie wurde krank von der Schule", sagt ihre Mutter Diribe Feyisa (65). Die Kinder mussten auf dem Boden sitzen. Vermutlich gab es Sandflöhe und verschmutztes Wasser. Deshalb ging sie nur ein Jahr zur Schule. Heute unterstützt Diribe Feyisa ihre Kinder und Enkel, damit sie eine Schule besuchen können. Die elffache Großmutter und ihr Mann haben einen Buben adoptiert, der zur Schule geht und sie unterstützen die Frau ihres Sohnes finanziell beim Studium. Das ist möglich, weil Feyisa mit einem Mikrokredit von MfM eine Kuh gekauft hat. Der Kredit ist zurückbezahlt, Feyisa und ihr Mann konnten jetzt sogar Land verpachten.

Burte Abera (17), ihre Enkelin, hat noch ein Jahr in der Schule vor sich, dann geht sie auf eine High School, 30 Kilometer von ihrem Heimatdorf entfernt. Burte möchte Ärztin werden. "Ich habe einen Verwandten, der Arzt ist. Ich glaube aber, dass es für Frauen besser ist, wenn sie zu einer Ärztin gehen. Zu einer Frau haben sie mehr Vertrauen und fühlen sich freier", sagt Burte. "Ich möchte erst studieren und dann Kinder - aber nur zwei."

Burte Abera in der Schule.

Burte Abera in der Schule.

Burtes Eltern können sie bei ihren Plänen unterstützen. Auch ihre Mutter hat sich mit einem Mikrokredit Vieh gekauft, handelt mit Kaffee und ist mehrmals in der Woche auf Märkten. Wenn Burte studiert, will die Familie mit umziehen in die Stadt. "Wir wollen ein besseres Leben für uns und unsere Kinder", sagt Mideksa. "Wir wollen auch in die Stadt ziehen. Warum sollten wir bleiben?", sagt Diribe Feyisa.

Mit den Mikrokrediten haben sich die Frauen etwas aufgebaut, können sich Strom leisten, ein Bett, und die Schuluniform für die Kinder. Im Fernsehen sehen sie, wie es den Menschen in den Städten geht: Dass sie in Häusern mit großen Fenstern leben, dass das Wasser aus dem Hahn kommt und die Menschen Zeit haben, sich um ihr Aussehen zu kümmern.

110 Millionen Menschen leben in Äthiopien, 80 Prozent in ländlichen Gebieten wie Dano. Von den realen Wachstumsraten von 7,8 bis 11 Prozent, wie sie das bayerische Wirtschaftsministerium in seiner Einladung zur Delegationsreise beschreibt, bekommen diese Menschen nichts mit.

Diribe Feyisa vor ihrer Hütte.

Diribe Feyisa vor ihrer Hütte.

MfM arbeitet eng mit den Menschen vor Ort zusammen

2013 hatten in Dano 15 Prozent der Menschen Zugang zu Trinkwasser. Nachdem MfM 103 neue Wasserstellen gebaut hat, sind es 44 Prozent. Dabei arbeitet die Stiftung eng mit den Menschen vor Ort zusammen. Wasserstellen bauen die Einheimischen, ein Komitee betreibt sie ehrenamtlich und bezahlt einen Aufpasser, der Kleinstbeträge für das Wasser nimmt. So werden Reparaturen gewährleistet. Sechs neu gebaute Schulen in der Region bieten knapp 6000 Schülern bessere Lernbedingungen. Aber es ist nicht die Regierung, die diese Schulen baut, sondern es sind Hilfsorganisationen wie MfM. 668 Mitarbeiter hat die Organisation in Äthiopien, davon 663 Äthiopier, die Hilfe zur Selbsthilfe leisten: Verbesserung der Landwirtschaft, Versorgung mit Trinkwasser, Bildung, Gesundheit und Einkommen. Ziel ist es, die Menschen ganzer Regionen zu befähigen, ihre Lebensumstände aus eigener Kraft weiter zu verbessern.

Seit 1981 wurden in langjährigen Projekten 434 Schulen neu gebaut oder erweitert. 27.302 Frauen haben Kleinkredite erhalten. Insgesamt 5,5 Millionen Menschen profitieren von der Hilfe.

Mesay Mideksa wird den Fernseher abschalten und den Fernsehschrank zuschließen, wenn sie an Söders erstem Auslandsbesuchstag die Nachrichten gesehen hat. "Es ist mir wichtig, dass die Kinder nicht ständig schauen", sagt sie. Gegen 18.30 Uhr, wenn es dunkel wird, wird die Familie in ihre zwei Betten schlüpfen. Wenn die Sonne um 6.30 Uhr aufgeht, werden sie weiterarbeiten, dass sie irgendwann das bessere Leben haben, das Söder sehen wird.

Die Pressereise nach Äthiopien erfolgte auf Einladung von MfM.

Die Helfer - Stiftung MfM

1981 legte Karlheinz Böhm ("Sissi") mit seinem Aufruf in "Wetten, dass...?" den Grundstein für Menschen für Menschen (MfM). Mit Entwicklungsprojekten verzahnt MfM mit der Bevölkerung Maßnahmen aus Landwirtschaft und Ernährung, Wasser und Hygiene, Bildung, Gesundheit, Gesellschaftsentwicklung und Einkommen. Seit dem Tod Böhms 2014 sind die Spenden zurückgegangen. MfM arbeitet jetzt auch mit Unternehmen wie Dallmayr zusammen, das Kaffee von Bauern aus Äthiopien verkaufen will.

Stiftung Menschen für Menschen. Stadtsparkasse München. BIC: SSKMDEMM. IBAN: DE64 7015 0000 0018 1800 18