Gestärkt aus der Zwangspause

Sportlerin Edith Buschsieweke kämpft sich nach Thrombose zurück ins Athleten-Leben


sized

Den Spaß am Sport hat Edith Buschsieweke während ihrer Zwangspause nie verloren. Mittlerweile darf die Athletin wieder Rad fahren.

Von Kimberly Biendl

Edith Buschsieweke ist erfolgreiche Target Sprinterin. Die 21-Jährige hat alles auf den Sport ausgerichtet – bis eine Thrombose-Erkrankung Anfang des Jahres alles ändert. Die Athletin muss pausieren und kämpft sich langsam zurück. Doch aus der schlimmsten Zeit ihres Lebens lernt sie viel.

Bereits am Vormittag war Edith Buschsieweke mit dem Fahrrad unterwegs. Eine Einheit über 80 Minuten stand auf dem Trainingsplan. Auch wenn sich der Muskelkater ankündigt: Nachmittags wird sie sich noch 20 Minuten Stabilisationsübungen widmen, zehn Minuten zum Abschluss der Mobilisation. Erst dann ist ihr Training beendet. Einheiten wie diese absolvierte die Target Sprinterin früher täglich, heute nicht mehr.

Aktuell hat sie drei Einheiten in der einen Woche, vier in der nächsten Woche. Diese bestehen aus Lauf-, Radfahr- oder Schießübungen – die Grundlagen ihres Sports (mehr dazu im Kasten). Warum sie derzeit nur jeden zweiten Tag trainiert, hängt mit einem Rückschlag Anfang des Jahres zusammen: ihrer Thrombose-Erkrankung.

Thrombose bei einer 21-jährigen Sportlerin? Eigentlich undenkbar

Mitte Januar läuft die Sportlerin aus Osterhofen im Landkreis Deggendorf noch die Qualifikation für einen Weltcup, doch da spürt Edith bereits, dass mit ihrem Bein etwas nicht stimmt. Ein Muskelfaserriss wird vermutet, sie pausiert vier Wochen, doch die Schmerzen werden schlimmer: „Ich hatte sogar Probleme, vom Schreibtisch zum Bett zu gehen, ohne das Gefühl zu haben, dass ich umknicke“, sagt sie.

Es vergehen rund vier Wochen, bis die Ärzte den Grund der Schmerzen finden: Thrombose. Dabei bildet sich ein Gerinnsel in einem Blutgefäß. Dieser Pfropf behindert den Blutstrom. Ältere Menschen leiden vermehrt darunter. Bei der 21-Jährigen zogen die Ärzte Thrombose lange nicht in Betracht. Denn Edith macht seit Jahren Leistungssport, bewegt sich viel, lebt gesund, raucht nicht und trinkt kaum Alkohol. Genau wissen die Experten auch nicht, wie es bei Edith so weit kommen konnte. Ein möglicher Anhaltspunkt ist jedoch ihre dritte Corona-Impfung Anfang Januar.

Einige Tage nach dieser beginnen erste Beschwerden. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Impfung ihren Teil zur Thrombose beiträgt, dennoch spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Eine unentdeckte Corona-Infektion vor der Impfung, die Antikörper gebildet hatte, könnte mit ein Auslöser gewesen sein. Auszuschließen sind genetisch bedingte Faktoren. „Man weiß auch nicht, ob das gekommen wäre, wenn ich keinen Sport gemacht hätte“, sagt die junge Athletin.

Edith ist ehrgeizig, trainiert hart – der Lohn: Deutsche Meisterin

Schon früh entdeckt Edith ihre Leidenschaft fürs Laufen. Von den Vorwaldschützen Renholding wechselt sie 2019 zur HSG München. Seit 2017 ist sie Teil der Nationalmannschaft. Gegner unter Druck setzen und gleichzeitig die eigene Nervosität am Schießstand kontrollieren – das ist genau die Herausforderung, nach der sie gesucht hat. Edith trainiert hart und geht vorbereitet an internationale Starts. Ihre Erfolge bestätigen sie: Unter anderem wurde sie im Jahr 2019 Deutsche Meisterin.

Die ersten Wochen und Monate nach der Diagnose sind für Edith jedoch die schlimmste Zeit ihres Lebens. Der Sport, ein Teil von ihr selbst, bricht von heute auf morgen weg. Neben starken physischen Schmerzen und Schlafstörungen kommen auch psychische Probleme hinzu. Vor allem am Anfang kämpft sie damit, die Situation zu akzeptieren.

Das Gespräch mit ihren Trainern zum offiziellen Pausieren der Saison zeigt ihr, dass es die nächste Zeit nicht so weitergehen wird wie zuvor. Doch erst knapp sechs Monate nach der Diagnose sagt sie: „Ich bin endlich an einem Punkt, an dem ich mich auf mich konzentriere, mein Ding durchziehe und anderen Sportlern nicht hinterhertrauere.“

Familie und Freunde unterstützen, der Trainer ist optimistisch

Vor allem ihre Familie, Freunde und der wöchentliche Austausch mit ihren Trainern Rudolf Sautter und Michael Herr bringen Edith zu ruhigeren Gedanken. Trainer Rudolf Sautter zeigt sich zuversichtlich: „Der Kopf läuft schneller als der Körper. Aber das schaffen wir.“

Die 21-Jährige sagt von sich selbst, dass sie wenig spontan und flexibel ist – vor allem was ihren Sport betrifft. Die Thrombose zeigt ihr nun, dass man manchmal sein Schicksal akzeptieren muss. Doch Edith entschließt sich, alles zu tun, was ihrem Körper hilft.

Sie beginnt, blutverdünnende Medikamente zu nehmen und trägt vier Monate lang Thrombosestrümpfe. Zusätzlich stellt sie ihre Ernährung um: Die Sportlerin verzichtet auf Weizen und isst viel Fisch, Omega-Drei-Fettsäuren und Beeren. Außerdem trinkt sie jeden Tag den Saft einer gepressten Zitrone. „Ich habe mich davor schon gesund ernährt, aber jetzt esse ich gefäßbewusster“, sagt sie.

Sie muss den Plan genau befolgen und darf sich nicht übernehmen

Nach neun Wochen Pause seit der Diagnose im Februar und Aufenthalten im Krankenhaus geht es im April wieder an die Sportgeräte. Ihre Trainer zeigen Edith einen Weg zurück in die Routine. Die Ärzte erarbeiten mit ihr einen Trainingsplan und unterstützen sie auch psychisch. Zusätzlich telefoniert sie wöchentlich mit ihrem Trainer Rudolf Sautter. „Es kommt alles wieder, wir brauchen einfach ein bisschen Geduld“, sagt er.

Bis Januar hat sie fünf bis sechs Tage in der Woche trainiert, an manchen Tagen sogar früh und abends. Dieses Pensum schafft sie bislang noch nicht. Nun die Geduld zu haben, am Tag nur einige Minuten mit vielen Pausen laufen zu dürfen, ist für Edith herausfordernd. Sie muss sich immer an ihren Trainingsplan halten, der nicht mit ihrem Pensum vor einem Jahr zu vergleichen ist. Bestimmte Pulsbereiche und eine genaue Minutenanzahl muss sie einhalten, damit die Sportlerin ihren Körper nicht überbelastet. Monatelang hat sie ihre jetzige Leistung mit der vor der Thrombose verglichen, doch mittlerweile sagt sie: „Ich lebe im Hier und Jetzt und konzentriere mich auf mein Training und die Fortschritte, die ich mache. Der aktuelle Stand ist überraschend gut.“

Edith hat gelernt, dass es mehr als Target Sprint in ihrem Leben gibt

Vor der Thrombose war die Target Sprinterin sehr auf ihre Leistungen und Platzierungen fixiert. Die Erkrankung zeigt ihr, dass Erfolg nicht das einzige im Leben ist, solange man „irgendwie wieder irgendwo starten kann“, meint sie. Außerdem hat sie gelernt, dass es noch andere Dinge gibt. „Der Sport ist wichtig, aber nur ein kleiner Teil, der mich ausmacht“, erkennt sie. Neben dem Training hat Edith nun Zeit, andere Hobbys zu entdecken. Sie absolviert einen Kochkurs, macht Yoga und genießt auch mal die Zeit mit ihrer Familie und den Freunden – ohne tägliches Training und Wettkämpfen an den Wochenenden.

Target Sprint begleitet Edith weiter auf ihrem Weg, aufgeben wird sie nicht. Ziel der 21-Jährigen ist es, Ende des Jahres wieder an ihre alte Form anzuknüpfen. 2023 will sie wieder an Wettkämpfen teilnehmen.

Das ist Target Sprint

Am besten kann man die Sportart als eine Art Biathlon im Sommer beschreiben. Wo die Sportler im Winter auf Langlaufski stehen, sprinten die Athleten beim Target Sprint. Dazwischen wird, wie im echten Biathlon, geschossen.

Wie läuft ein Rennen ab? „Target Sprint wird auf der Kurzdistanz von dreimal 400-Meter-Laufrunden ausgetragen. Nach der ersten und zweiten Runde ist je ein Stehendschießen zu absolvieren, ehe der Athlet nach der dritten Laufrunde ins Ziel läuft“, erklärt der Deutsche Schützenbund auf seiner Webseite.

Im Gegensatz zum Sommerbiathlon (auch diese Sportart gibt’s) werden alle Formen des Target Sprints (Einzel, 3er-Team und Mixed-Team) als Massenstart durchgeführt, in denen maximal zwölf Sportler in einem Lauf gegeneinander antreten.

Die Disziplin ist noch recht jung, der internationale Dachverband ISSF trägt seit 2017 internationale Meisterschaften aus.

Freistunde-Logo

Hinweis: Dieser Text stammt aus der Freistunde, der Kinder-, Jugend- und Schulredaktion der Mediengruppe Attenkofer. Für die Freistunde schreiben auch LeserInnen, die Freischreiben-AutorInnen. Mehr zur Freistunde unter freistunde.bayern.