Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Warum Mariss Jansons gehen sollte


Das BR-Symphonieorchester auf dem Dach der mittlerweile abgerissenen Kultfabrik im Werksviertel hinter dem Ostbahnhof. Jetzt steht hier ein Riesenrad, bald soll an diesem Ort das neue Münchner Konzerthaus entstehen.

Das BR-Symphonieorchester auf dem Dach der mittlerweile abgerissenen Kultfabrik im Werksviertel hinter dem Ostbahnhof. Jetzt steht hier ein Riesenrad, bald soll an diesem Ort das neue Münchner Konzerthaus entstehen.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sollte sich einen neuen Chefdirigenten suchen

Am Dienstag sagte Mariss Jansons bis Ende August alle Konzerte mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ab - auf ärztliche Empfehlung für eine Regenerierungspause. Betroffen sind nicht nur Termine heute und morgen im Gasteig sowie der "Tag der Offenen Tür" am Samstag, sondern auch eine ganze Festival-Tour mit Auftritten bei den Salzburger Festspielen, den BBC Proms in London, in Ingolstadt, der lettischen Hauptstadt Riga sowie bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern in Redefin.

Es ist heikel, über die Gesundheit fremder Leute zu reden. Allerdings hat Jansons aus seiner Krankheit nie ein Geheimnis gemacht, seit er 1996 bei einer Aufführung von "La Bohème" in Oslo einen lebensbedrohlichen Herzanfall erlitt. Jeder Besucher kann bei den Konzerten des BR-Symphonieorchesters im Gasteig und Herkulesssaal unter Jansons sehen, dass es fittere Herren im Alter von 76 Jahren gibt.

Mehr abwesend als anwesend

Jansons hat öfter pausiert, aber der Rhythmus seiner Auszeiten wird dichter. Im vergangenen Sommer dirigierte er - dem Vernehmen nach gegen ärztlichen Rat - die letzte Vorstellung einer Aufführungsserie von Tschaikowskys Oper "Pique Dame", weil er aus Pflichtbewusstsein den Festspielen keine Absage zumuten wollte. Der Preis für diese Überanstrengung war die Absage aller folgenden Konzerte für mehrere Monate - einschließlich einer Asientournee mit dem BR-Symphonieorchester, die der auch nicht sonderlich gesunde Zubin Mehta übernahm.

Erst zu Silvester dirigierte Jansons wieder in München. Vier weitere Auftritte im Januar und März folgten, außerdem eine Europatournee. Nach einem Konzert mit den Wiener Philharmonikern im Musikverein musste sich Jansons offenbar im Juni vom Pult helfen lassen, beim nachfolgenden Konzert in Hamburg dirigierte er sitzend. Dass er nun länger ausfällt, ist nicht völlig überraschend.

Das Orchester braucht einen starken Chefdirigenten

Was nun? Alle Konzerte und Gastspiele finden statt. Die Reputation des BR-Symphonieorchesters ist hoch, und so ist es kein Problem, attraktiven Ersatz zu finden.

Eine Dauerlösung ist das nicht. Denn in den nächsten Jahren braucht das BR-Symphonieorchester einen starken und in München präsenten Chefdirigenten. Die Debatte über die Orchester der öffentlich-rechtlichen Sender wird weitergehen, der Spardruck steigen. Außerdem braucht der neue Konzertsaal im Werksviertel einen repräsentativen Kopf - und das kann nur der Chefdirigent sein. Jansons war das bisher nicht, dafür hielt er sich viel zu selten in München auf.

Weil der Neubau und die Gasteig-Sanierung nicht koordiniert stattfinden, wird auch das BR-Symphonieorchester um 2021 herum zumindest teilweise an die Brudermühlbrücke umziehen. Das Publikum mag so etwas gar nicht - das Tonhalle-Orchester in Zürich rechnete beim Umzug in sein Luxus-Provisorium mit einem Besucherschwund von fast 20 Prozent.

Das lässt sich vermeiden, wenn der Chefdirigent den Kopf dafür hinhält und neue Konzertformate ausprobiert werden. Valery Gergiev hat das mit den Philharmonikern vor, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks verharrt in Angststarre und wartet auf den Neubau.

Ein Chefdirigent muss sich einmischen

Es ist die Frage, ob auch ein gesunder Jansons für eine Interimsphase die richtige Besetzung wäre. Denn er scheut - anders als Gergiev - Konzerte für Jugendliche ebenso wie den Schaufenstertermin "Klassik am Odeonsplatz". Auch bei der Saisoneröffnung glänzt er durch Abwesenheit. Ohnehin drängt sich der Eindruck auf, dass er das BR-Symphonieorchester am liebsten außerhalb Münchens dirigiert.

Jansons' Vertrag bei Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks läuft noch bis 2024. Weil das Orchester seinen Chef geradezu kultisch verehrt, sind bislang nach außen nur wenige kritische Stimmen zu vernehmen. Aber für Außenstehende ist Klartext erlaubt: Der Bayerische Rundfunk wäre im Interesse seines Orchesters gut beraten, Jansons zum Ehrendirigenten zu befördern, sich auf jedes noch kommende Konzert zu freuen und das Tagesgeschäft im Interimsquartier einem jüngeren Chef zu übertragen.

Der (oder sie) dürfte nicht schwer zu finden sein, zumal der allseits beliebte Jansons keine Rivalitäten mit Kollegen kultiviert. Alle wichtigen jüngere und ältere Dirigenten standen außerdem in letzter Zeit am Pult des Orchesters.

Auch die Einspringer der kommenden Wochen sind mögliche Kandidaten: Daniel Harding wird die Konzerte in München und Ingolstadt leiten, Susanna Mälkki dirigiert in Lettland, Yannick Nézet-Séguin übernimmt in London und Salzburg.

Eine Dauerlösung ist das nicht. Die Planungsunsicherheit schädigt das Profil des Orchesters. Daher: Lieber ein Ende mit Schmerz und Schrecken, als ein Schmerz ohne Ende.

Das BR-Symphonieorchester veranstaltet am Sa, den 29. Juni, von 11 bis 21 Uhr im Werksviertel einen "Tag der Offenen Tür". Alle Verstaltungen auf der Website des Orchesters: www.br-so.de. Eintritt ist frei, teilweise Anmeldung auf der Website erforderlich.