Staatstheater am Gärtnerplatz

Verdis "Rigoletto" am Gärtnerplatz


Lucian Krasznec als Herzog von Mantua in Herbert Föttingers Inszenierung im Staatstheater am Gärtnerplatz.

Lucian Krasznec als Herzog von Mantua in Herbert Föttingers Inszenierung im Staatstheater am Gärtnerplatz.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Giuseppe Verdis "Rigoletto" in einer Inszenierung von Herbert Föttinger im Gärtnerplatztheater

Braucht München eine neue Produktion dieses Dreiakters? Aber klar doch, zumal die letzten beiden "Rigoletto"-Premieren an der Bayerischen Staatsoper 2005 und 2012 alles andere als große Knaller waren: szenisch und musikalisch. Dass nun am Gärtnerplatz-Theater eine eigene Sicht auf dieses Meisterwerk von Giuseppe Verdi gewagt wurde, ist also grundsätzlich richtig. Allerdings ist das Ergebnis eher durchwachsen.

Da ist die Regie von Herbert Föttinger: Sie setzt psychologisch an, womit sie sich von den Staatsopern-"Rigolettos" von Doris Dörrie und Árpád Schilling klar abgrenzt. Hier wird man nicht auf den "Plantet der Affen" katapultiert, und schon gar nicht gähnt in der Szene deutungslose Reduktion. In der Lesart Föttingers ist die Titelpartie, also der Narr Rigoletto, ein Joker. Mit grell geschminktem Clowns-Gesicht schleicht er oft und gerne über die Bühne, breit grinsend oder pathologisch lachend. Das passt zum aktuellen Hype um den "Joker"-Film mit Joaquin Phoenix. Bei der Oscar-Verleihung dürfte dieser Streifen schwer abräumen.

Frischfleisch für den Herzog

Doch das geht nicht widerspruchsfrei auf: Im aktuellen Film wird deutlich, wie sehr dieser Joker vom System gemacht wurde. Er wurde stets gemobbt und misshandelt, von der Gesellschaft. Ganz anders Rigoletto: Er ist von Anfang an Teil eines pervertierten Systems, organisiert für den Herzog von Mantua die Entführungen und faktischen Vergewaltigungen der jungen Frauen.

Schon im Versdrama "Le roi s'amuse" von Victor Hugo aus dem Jahr 1832, die Vorlage zu Verdis "Rigoletto" verbindet der Hofnarr äußere Hässlichkeit und einen fragwürdigen Charakter mit hochherzigen (Vater-) Gefühlen. Natürlich weiß das auch Föttinger: Die Joker-Maske nimmt man seinem Rigoletto genauso wenig ab wie die Nonnenkutte, die der Ausstatter Alfred Mayerhofer für Giovanna geschneidert hat. Sie ist die Gesellschafterin von Rigolettos Tochter Gilda. Beide haben es faustdick hinter der Maske und unter der Kutte.

Für dieses Fassadenspiel hat Walter Vogelweider eine graue Häuserfassade entworfen. Das erinnert an den meisterhaften "Rigoletto", den Jossi Wieler und Sergio Morabito 2015 in Stuttgart realisiert haben. Im Gegensatz dazu aber bleibt die Personenführung am Gärtnerplatz-Theater schablonenhaft vorhersehbar, was allerdings auch den Solisten geschuldet ist.

Unsaubere Töne

Leider schaffen es weder Aris Argiris als Rigoletto noch Lucian Krasznec als Herzog, ihren Partien eine packende Charakterstudie abzuringen: darstellerisch und gesanglich. In der Premiere vermochte Krasznec den sonst so hellen Lyrismus seines Tenors nicht zu entfalten. Selbst "La donna è mobile" wirkte mehr gepresst als frisch. Ein Ärgernis der Intonation war aber der Rigoletto von Argiris. Kein einziger Ton wurde sauber gesungen, und das galt ebenso für Ann-Katrin Naidu als Giovanna. Als Graf von Monterone blieb auch Christoph Seidl farblos. Ein Lichtblick waren Levente Páll als Auftragsmörder Sparafucile sowie Anna-Katharina Tonauer als dessen Schwester Maddalena.

Sonst aber rettete Jennifer O'Loughlin stimmlich den Premierenabend. Ihre Gilda war ein Triumph auf ganzer Linie, weil sie den späten Belcanto von Verdi eben nicht mit Gewimmer und Gejaule verwechselte. Laut Programmheft zeichnen vier Personen für die musikalische Einstudierung verantwortlich, um dieses Ergebnis zu generieren. Dabei gibt es ein praxisnahes Belcanto-Lehrbuch von Peter Berne von 2008. Es trägt den Untertitel "Historische Aufführungspraxis in der italienischen Oper von Rossini bis Verdi".

Hellhörige Exegese

An der musikalischen Leitung hat es nicht gelegen, denn: Mit dem Chefdirigenten Anthony Bramall agierte insgesamt ein hellhöriger Exeget am Pult des Gärtnerplatz-Orchesters. Er war bemüht, diesen Verdi vom hohlen Umtata-Klischee zu befreien. Schon die Ouvertüre brillierte mit entschlackter Transparenz, und der Gärtnerplatz-Herrenchor sorgte für dramatischen Drive. Das ist allerdings zu wenig für das Niveau, wie man es vom Gärtnerplatz-Theater gewohnt ist.

Weitere Vorstellungen am 1., 7., 12. und 22. Februar, sowie im März im Gärtnerplatztheater. Karten unter Telefon 2185 1960

Lesen Sie auch unser Interview mit dem Regisseur Herbert Föttinger