Münchner Philharmoniker

Valery Gergiev dirigiert Tschaikowsky


Valery Gergiev im Gasteig.

Valery Gergiev im Gasteig.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Valery Gergiev dirigiert den Abschluss seiner Tschaikowsky-Reihe. Die Philharmoniker begleiten den Pianisten Denis Matsuev

Was geht wohl in Valery Gergiev vor, wenn er innerhalb weniger Tage im selben Raum, der Philharmonie, mehrmals die Orchester wechselt? Ist er auch einmal kurz verblüfft über die klanglichen Unterschiede zwischen dem Mariinsky Orchester aus St. Petersburg und den Münchner Philharmonikern, die ihm entgegenschallen? Oder überwiegt die Zufriedenheit darüber, wie gut ihm beide Apparate folgen?

Vieles spricht für Letzteres. Natürlich sind die beiden Orchester durch völlig eigenständige Traditionen geprägt. So klingen etwa die russischen Bläser durch ihr Vibratospiel etwas bunter, bisweilen schärfer oder lustiger als die ruhiger agierenden Münchner Kollegen. An Geschlossenheit sind die beiden Streicherkörper vergleichbar, vielleicht hört man bei den Philharmonikern mehr an solistischer Spritzigkeit als bei den St. Petersburgern, die eher als Kollektiv auftreten.

Aus dem Augenblick geboren

Gemeinsam ist ihnen, wie selbstverständlich sie Gergievs phantasievolle, manchmal schwer verständliche Zeichengebung umsetzen. In keinem Moment merkt man den Münchner Philharmonikern an, dass Tschaikowskys Symphonie Nr. 2 nicht zum Stammrepertoire gehört. Die einzelnen Sätze werden nicht nur organisch nahtlos entwickelt, sondern auch zum Greifen bildhaft gezeichnet: köstlich frech der gänzlich unmilitärische Marsch, geistreich das irrlichternde Scherzo.

Und wenn man sieht - und hört! -, wie sich die Holzbläser in der Symphonie Nr. 5 e-moll vor Freude strahlend in ihre Soli stürzen, muss man anerkennen: Gergiev gelingt es mittlerweile auch bei den Münchner Philharmonikern, sämtliche Kräfte freizusetzen. Dieses Repertoirestück wird in jeder Sekunde in aufregender Spontaneität aus dem Augenblick heraus geboren.

Ein echter Coup ist die Interpretation des immer noch sträflich vernachlässigten Klavierkonzerts Nr. 2 G-Dur. Als man dem im besten Sinne merkwürdigen Stück das letzte Mal begegnen konnte, spielte Yefim Bronfman noch die vom Komponisten abgelehnte geglättete Version.

Löblicherweise stellt Gergiev jetzt die Originalfassung vor und bietet dazu mit Denis Matsuev einen Pianisten, der mit einschüchterndem Tastendonner bis zum Äußersten geht. Halbheiten lässt der Russe nicht zu, auch in den beiden romanhaft ausschweifenden ersten beiden Sätzen erzwingt er sich die nicht nachlassende Aufmerksamkeit der Hörer.

Selbst er jedoch verwirklicht nicht das volle Potential dieses überreichen Stückes, weil er mit den vielen kammermusikalischen Passagen (noch) nichts anfangen kann: ein guter Grund, dieses Werk bald wieder auf das Programm zu setzen.