AZ-Konzertkritik

The Sweet im Circus Krone - Standing Ovations von Anfang bis Ende


"The Sweet" im Circus Krone in München.

"The Sweet" im Circus Krone in München.

Von Niklas Braun

"The Sweet" begeistern ihr Publikum im Circus Krone und ernten dafür Standing Ovations von Anfang bis Ende. Mehr dazu in der AZ-Konzertkritik.

Leicht war es bestimmt nicht, aus einer Sammlung von Teenager-Hits aus den Sechzigern und Siebzigern ein Programm für das Hier und Jetzt zu basteln, ohne dass es gekünstelt wirken musste. Denn schließlich - das müssen auch die hartgesottensten Anhänger dieser Band zugeben - sind etliche dieser Gassenhauer nicht nur mit Mitgröhl-Melodien, sondern auch teilweise mit sinnfreien bis albernen Texten geschmückt.

Und das Image einer Glamrock-Band war auch nicht gerade das beste, schon allein diese affigen Frisuren! Doch nun ist die Matamorphose von der fettgefressenen Raupe im Speckgürtel des großen Kommerzes zum schönen Schmetterling gelungen.

Der Zaubertrank, auch im ausverkauften Circus Krone: Völlig neue Arrangements in Richtung Rock. Und als Schmankerl sogar ein Akustik-Set, wie es auch von Crosby, Stills, Nash & Young hätte sein können. Das Publikum war restlos begeistert; Standig Ovations von Anfang bis Ende.

Bandleader Andy Scott schwört, seine Haare seien echt

Das einzige, was noch an Glamrock-Zeiten erinnert, ist die schlohweiße Lady-Gaga-Mähne von Bandleader Andy Scott. Die Wetten, ob es sich hier um eine Perücke handelt oder nicht, laufen noch. Scott, fast 70 Jahre alt, seit 51 Jahren mit "The Sweet" beschäftigt, schwört jedenfalls bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, dass seine Haare echt sind.

Die neuen Arrangements der bekannten Titel sind es auch. Sie strotzen geradezu vor rockiger Urkraft, werden ungeheuer druckvoll präsentiert, und lassen einem kaum Zeit zum Luftholen. "In so einer langen Zeit kommt natürlich ein enorm dickes Songbook zustande, und wir müssen uns schon genau überlegen, welchen Song wir mit auf Tour nehmen", erzählt Andy Scott, "und dennoch gibt es immer wieder Leute, die bedaueren, dass wir diesen oder jenen nicht gespielt haben".

Und da es ja auch um Nostalgie geht bei so einem Konzert, heißen die Pflichtsongs bei "The Sweet" "Teenage Rampage", "Blockbuster", "The Ballroom Blitz" "Little Willy", "Wig Wam Bam", "Fox On The Run" und so weiter und so fort. Und das Publikum singt Nummer für Nummer textsicher mit. Und skandiert immer wieder "We Want Sweet!".

Ein paar schwer verrockbare Nummern aus den Anfangstagen wie "Co Co" oder auch "Poppa Joe" werden zu einem sehr sensiblen Akustik-Set verwurstet und dadurch enorm aufgehübscht. Und aus den ehemaligen Discofox-Teilen werden auf einmal Neuheiten mit Woodstock-Flair.

Sänger Pete Lincoln verlässt "The Sweet"

Im Lauf des Abends wird bekanntgegeben, dass der bisherige Sänger Pete Lincoln nun nach 13 Jahren die Band verlässt, nicht im Zorn, sondern weil er ein anderes Projekt verfolgen will. Aber heute, an seinem letzten Abend on stage, haben sich alle nochmal alle ganz lieb. Und der neue Sänger steht auch schon parat, Paul Manzi heißt er, und er darf sich mit "Set Me Free" schon mal warmsingen. Und die kurze Kostprobe zeigt jetzt schon: "The Sweet" werden in Zukunft wohl noch mehr in Richtung Rock abheben.

Der Höhepunkt des Abends heißt "Love Is Like Oxygene", und Andy Scott widmet das vielschichtige Werk den beiden verstorbenen Sweet-Mitgliedern Brian Conolly und Mick Tucker. Im Mittelteil des Songs viele Grüße auch an Emerson, Lake & Palmer mit Zitaten aus "Fanfare For The Common Man". Wie gesagt: Es tut sich einiges bei "The Sweet". Auch und gerade nach 51 Jahren.

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