Neu im Kino

"The Farewell": Schöne Lügen aus Liebe


Ein Familienfoto mit viel Sympathie - als Inszenierung für den guten Zweck.

Ein Familienfoto mit viel Sympathie - als Inszenierung für den guten Zweck.

Von Nina Caroline Zimmermann

"The Farewell": Wie funktioniert eine Bilderbuchfamilie, wenn sie keine ist?

Die eigene Großmutter belügt man nicht! Selbst dann nicht, wenn es besser für sie ist, oder? In Lulu Wangs zweitem Film "The Farewell" geht es nicht um eine kleine Notlüge. Die alte Dame Nai Nai (Shuzhen Zhao) leidet an einer tödlichen Krankheit. Das aber weiß nur der Rest der Familie, die die schmerzhafte Wahrheit vor ihr geheim hält.

Alles trifft sich in der alten, chinesischen Heimat, um Abschied zu nehmen, unter dem Vorwand der Hochzeitsfeier des überforderten Enkels. Nur Billi (Awkwafina) will ihrer Oma nichts verschweigen. Ihre Familie wanderte in die USA aus, als sie noch ein Kind war. Die Entscheidung ihrer Verwandten ist ihr vollkommen fremd. Ist sie jedoch als Verteidigerin der Wahrheit im Recht?

Das hört sich alles nach einem tieftraurigen Melodram an. In Wahrheit ist "The Farewell" eine Tragikomödie, die genau die richtige Balance zwischen Humor und Ernst findet. Und das mit einer Leichtigkeit, dass es kaum auffällt.

"The Farewell": von Witz umspielt

Dabei ist es fast unmöglich, lustige Szenen explizit herauszugreifen, weil alles von Witz umspielt ist. Wenn Nai Nai mit dem Partyservice streitet, weil statt der bestellten Hummer Krabben angekommen sind, entsteht die Komik aus der Situation selbst, ohne Pointen zu konstruieren. Nicht zuletzt, da ihr beherzt natürliches Anpacken im Kontrast zum angespannten Spiel der restlichen Familie steht.

Der große Coup des Films ist es jedoch, dass er scheinbar ganz nebenbei den Konflikt der gegensätzlichen Zivilisationen USA und China zur Sprache bringt, ohne eine Seite ins rechte Licht zu rücken. Die Wahrheit vor Todkranken geheim zu halten, ist in China wirklich Gewohnheit. Die Regisseurin kam mit ihrer eigenen Großmutter in dieselbe Situation. (Der Abspann zeigt, dass sie immer noch am Leben ist.)

Die Gespräche über westliche und fernöstliche Werte zeigt sie, wie sie eben von Privatpersonen unter sich geführt werden. Welche der Ansichten richtig ist, will sie nicht beurteilen. Und darin liegt ein stärkerer Denkanstoß, als in jeder klaren Positionierung. Diese Mischung aus Intelligenz und Emotionalität gibt "The Farewell" einen besonderen Platz im ausklingenden Kinojahr.

Kino: City (auch OmU), Monopol (OmU) und Museum (OV)

B&R: Lulu Wang

(USA, 101 Min.)