Kultur

Staunen lernen

Die eigenwillige, französische, romantische Komödie "Maria träumt - Oder: Die Kunst des Neuanfangs"


Schafft die Lebensurve nach oben mit dem Mofa in letzter Minute: Karin Viard.

Schafft die Lebensurve nach oben mit dem Mofa in letzter Minute: Karin Viard.

Von Margret Köhler

Kunst und Kultur, immer noch überwiegend ein Privileg der bürgerlichen Gesellschaft? Wer früh keinen Zugang erhält, bleibt jedenfalls meistens draußen: Wie Maria, eine Haushaltshilfe, die nach dem Tod ihrer Arbeitgeberin im geschichtsträchtigen Gebäude der Pariser Académie des Beaux-Arts (wo auch gedreht wurde) als Reinigungsfrau anfängt und durch die Begegnung mit der Kunst staunend wie Alice im Wunderland eine neue Welt entdeckt, einen faszinierenden Ort mit Freiheit, Kreativität und Risikofreude.

Ganz anders sieht es bei ihr zu Hause aus in einer abgeliebten Ehe und mit einem langweiligen Gatten. Neben all den wilden Studenten und arroganten Professoren trifft sie auf den kauzigen Hausmeister Hubert, der nicht nur Elvis' Hüftschwung heimlich vor dem Spiegel übt, sondern lang vergessene und verdrängte Gefühle in ihr weckt - ihr aber erst einmal aus der Patsche hilft, als sie im wahrsten Sinne des Wortes in ein Fettnäpfchen tritt, hat sie doch versehentlich ein Kunstwerk entsorgt, ein umgefallenes "Butterfässchen". Man erinnerst sich an den Skandal um Joseph Beuys' mit Filz, Fett und Pflaster geschmückte Badewanne, die 1973 irrtümlich mit dem Reinigunsmittel Ata sauber geschrubbt wurde?

Die Begegnung mit Kunst als Katalysator fürs Leben

Die damalige provokante Frage "Was ist Kunst?" stellt sich auch hier. Sukzessive, auch durch die Freundschaft mit einer bisexuellen Studentin (Noée Abita), lernt die schüchterne Maria, sich zu öffnen und treiben zu lassen, wagt den Neuanfang.

Der erste Langfilm von Lauriane Escaffre und Yvo Mullerfunktioniert wunderbar als eigenwillige romantische Komödie für Erwachsene, die funkelt, wenn es zwischen den hinreißenden Hauptdarstellern Karin Viard und Grégory Gadebois funkt. Und der Film ist gleichzeitig eine erfrischende und poetische Sozialkomödie, die nicht in bräsigem Verständnis schwelgt, sondern ihren Protagonisten mit Feingefühl begegnet.

Dieser zauberhafte Publikums- und Arthousefilm ist allen unsichtbaren Marias oder Annas gewidmet, über die man hinwegschaut, ob sie nun den Dreck anderer wegputzen, an der Supermarktkasse sitzen oder sich als Verkäuferin die Beine in den Bauch stehen und lächeln (müssen). Patin für die Figur stand die Oma der Regisseurin Escaffre, die als Putzfrau bei ihren Arbeitgebern unbemerkt bleiben wollte, auf Zehenspitzen ging und immer nur flüsterte - wie Maria: ein Mensch, den man nicht beachtet, weil er sich selbst keine Beachtung schenkt. Das Regieduo macht diese Frau sichtbar, sie stolpert in eine Performance hinein oder posiert für Studierende als Aktmodell: bewusst gesehen zu werden, eine ganz neue Erfahrung für sie. Die Endvierzigerin realisiert, dasd das Leben nicht wartet.

In einer Lichtkunst-Installation bewegen sich Maria und Hubert wie im Märchen aufeinander zu, bei ihrem ersten digital verfremdeten Kuss liegen sie sich auf einer riesigen elektronischen Leinwand in den Armen. Zum Abheben schön.

Kino: Arena (auch OmU)
und Theatiner (OmU)
R: Lauriane Escaffre,
Yvonnick Muller (F, 93 Min.)