Kultur

Sound einer nächtlichen Großstadt

Eine Uraufführung von Brett Dean mit dem Bayerischen Staatsorchester im Nationaltheater


Brett Dean beim Komponieren.

Brett Dean beim Komponieren.

Von Marco Frei

Es zeugt nicht von visionärem Weitblick, für ein großes Jubiläum ein neues Werk in Auftrag zu geben und es beim offiziellen Festakt im Nationaltheater nicht zu präsentieren. Die Politik-Prominenz wäre am Sonntagvormittag mit der Musik von Brett Dean gewiss nicht überfordert gewesen. Mehr noch: Solche Uraufführungen bilden das Herzstück der diesjährigen Feierlichkeiten zum Jubiläum "500 Jahre Bayerisches Staatsorchester".

Aus diesem Anlass durften die drei ehemaligen Generalmusikdirektoren ein Werk in Auftrag geben. Nur Kirill Petrenko verzichtete, weil die von ihm dirigierte "Symphonie der Tausend" von Gustav Mahler bereits allein ein Konzertprogramm sprengt. Schon im Februar soll Zubin Mehta ein neues Werk des in München lebenden Griechen Minas Borboudakis vorstellen. Kent Nagano hat sich die Koreanerin Unsuk Chin gewünscht, Vladimir Jurowski hingegen für das Dritte Akademiekonzert ein Werk des Australiers Brett Dean, der lange Zeit als Bratschist bei den Berliner Philharmonikern wirkte.

Das passt: Im Sommer dirigiert Jurowski bei den Opernfestspielen Deans Shakespeare-Vertonung "Hamlet" aus dem Jahr 2017. Der 61-Jährige ist in München übrigens kein Unbekannter: Schon vor zehn Jahren widmete ihm das Münchener Kammerorchester ein Porträtkonzert.

"Nocturnes and Night Rides", heißt das neue Werk für großes Orchester mit Klavier und umfangreichem Schlagwerk, das bereits im Titel auf das klassisch-romantische Erbe anspielt. Eine "Nicht so kleine Nachtmusik" nennt Dean sein neues Werk. Dieser ironische Verweis auf Mozart führt genauso in die Irre wie der Titelteil "Nocturnes". Mit Chopin, John Field, Schumann oder Mahler hat das neue Werk ebenfalls nichts zu tun, auch nichts mit den bedeutenden, zwischen fragilster Reduktion und äußerster Brutalität changierenden "Notturni" des Italieners Salvatore Sciarrino.

Für Jurowski ist das Werk eine "Nacht-Symphonie". In 25 Minuten und drei Teilen wird ein postmoderner Ritt durch eine nächtliche Metropole geboten - vielleicht New York. Mit dem "Suburban Park in the Dark" im dritten Teil schlägt Dean jedenfalls eine Brücke zum "Central Park in the Dark" von Charles Ives von 1906. Doch während Ives mit harten Stilcollagen arbeitet, bleibt Deans Musik insgesamt gezähmt. Zwar heulen mitunter gefährlich die Sirenen, manches wirkt grotesk-bizarr, aber: Diese Musik tut der Wirklichkeit nicht weh.

Im melodischen Lyrismus wirkt sie mitunter ähnlich dekorativ wie die Musik von Thomas Adès. Dafür aber ist die Instrumentation perfekt ausbalanciert. Nirgends thront ein hohles Zuviel. Dean versteht es meisterhaft, Stimmungen atmosphärisch zu verdichten, was das Bayerische Staatsorchester wirkungsvoll verlebendigte. Jurowski hat eben eine besonders glückliche Hand für die (Post)-Moderne. Die Premiere von Deans "Hamlet" Mitte Juni sollte man sich unbedingt vormerken.

Brett Deans Hamlet ist am 26. Juni sowie am 1., 5., 9. und 12. Juli im Nationaltheater bei den Opernfestspielen zu sehen. Der Vorverkauf beginnt am 21. Januar, Infos unter staatsoper.de