Kammerspiele: "The King is Gone"

Revolution und keine Königstreuen


Live auf der Kammerspielbühne: (von links) Regisseur und Autor Andreas Ammer, Frauke Poolman (Graf), Wowo Habdank (Chauffeur Tiefenthaler) und Friedrich Ani (Ludwig III). Im Vordergrund: Musiker der Hochzeitskapelle (Alexander Haas, Michael Acher).

Live auf der Kammerspielbühne: (von links) Regisseur und Autor Andreas Ammer, Frauke Poolman (Graf), Wowo Habdank (Chauffeur Tiefenthaler) und Friedrich Ani (Ludwig III). Im Vordergrund: Musiker der Hochzeitskapelle (Alexander Haas, Michael Acher).

Von Adrian Prechtel / TV/Medien

Kammerspiele: Ein Hörstück zum Ende der Monarchie und den Beginn der Räterepublik: "The King is Gone" live von Andreas Ammer mit der Hochzeitskapelle

Schon ein witziger Wahnsinn, wie kläglich 740 Jahre herzöglich-königliche Größe zu Ende gehen können: Ludwig III, verächtlich-jovial von Volk nur noch als "Milibauer" bezeichnet, verkennt kleingeistig die Zeichen der Zeit und wird von der Räterevolution am 8. November 1918 weggefegt - hinaus bei Nacht und Nebel aus der Residenz mit einem nur bedingt einsatzbereiten Wagen und hinein in einen Kartoffelacker im Chiemgau.
Dort schenkt nicht etwa untertänigst eine Bäuerin die benötigte Karbidlampe für das Automobil her. Sie verkauft sie dem fast heulenden König! Überhaupt wird auch in diesem Hörstück klar: Am Ende des abgewirtschaftet verheerenden Ersten Weltkriegs gab es eine oft nostalgisch beschworene Spezies im Bayernland nicht mehr - Königstreue!

Megaphon-verzerrte Songs und Dauermusik

"The King is Gone" - das titelgebende Neil-Young-Stück kommt auch verzerrt vor - ist eine ausgezeichnete BR-Hörspielproduktion von Andreas Ammer. Und live passt das alles auch hervorragend zu dem, was sich die Kammerspiele zur Zeit so unter Theater vorstellen: eine Lesungsperformance aus historischen Texten, natürlich satirisch unterlaufend ergänzt und vorgetragen. Dazu Livemusik von der Hochzeitskapelle mit ihrer CD "The World is Full of Songs", komponiert von Micha und Markus Acher. Das ganze wird so zu einer knapp anderthalbstündigen Anarcho-Farce, witzig kompiliert mit etwas zu monotoner Dauermusik und Megaphon-verzerrten, daher fast unverständlichen Gesangseinlagen inklusive Anspielung des hier zusammenhangslosen "Papa was a Rolling Stone".

Mordsgaudi zur pazifistischen Revolution

Aber natürlich ist das Ganze eine Mordsgaudi mit gelungenen Texten über die pazifistische Revolution von 1918. Da kommen die ein wenig larmoyanten Prinzessinnen zu Wort ("...und gestern noch unter Kronleuchtern"). Dann wurde das Hörspiel aus dem Jahr 2015 noch im Oskar-Maria Graf-Jahr 2017 zum 50. Todestag mit dessen Texten erweitert. Die werden jetzt quotengerecht von einer Frau (Frauke Poolman) gelesen. Vor allem aber ist Grundlage ein grandioser Textfund: ein gewisser Josef Benno Sailer hat 1919 bereits das Kolportage-Heft "Des Bayernkönigs Revolutionstage" herausgebracht - mit Erinnerungen des königlichen Chauffeurs Tiefenthaler, der die post-royale Familie abenteuerlich, geschickt und listenreich bis ins Exil zum Schloss Anif bei Salzburg bugsiert.
Friedrich Ani murmelt auf der Bühne den verzweifelten König, der nicht versteht, warum ihm denn keiner rechtzeitig informiert hat, warum es dann gar keinen Loyalen mehr gibt - bis auf Tiefenthaler, den letzten Helden des abgewirtschafteten Königreichs, den er aber nicht mehr adeln konnte.

"The King is Gone", Mediathek (ohne Graf-Textergänzung): https: //classic.ardmediathek.de/radio