Bayerische Staatsoper

Puccinis starke "Fanciulla del West"


"La fanciulla del West" im Nationaltheater.

"La fanciulla del West" im Nationaltheater.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Puccinis Opernwestern "La fanciulla del West" mit Anja Kampe im Nationaltheater

Vor Beginn schaute ein Herr ins Programmheft und versicherte seiner Begleitung, dass er die Handlung dieser Oper ungefähr so interessant fände wie ein vertontes Telefonbuch. Damit steht er nicht allein: Giacomo Puccinis "La fanciulla del West" mögen die meisten Opernbesucher eher weniger. Die Neuinszenierung der Bayerischen Staatsoper, wo das Werk zuletzt vor 85 Jahren herauskam, liefert allerdings viele Argumente, dieses Vorurteil dringend zu überdenken.

Die Szene, in der Minnie mit gezinkten Karten das Leben ihres Geliebten rettet, ist so stark, spannend und effektvoll wie der zweite Akt der beliebteren "Tosca". Der Regisseur muss nur mit dem Wilden Westen klarkommen, und das ist Andreas Dresen im Nationaltheater überzeugend gelungen.

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Puccinis "La fanciulla del West" im Nationaltheater.

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"La fanciulla del West" im Nationaltheater.

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Puccinis "La fanciulla del West" im Nationaltheater.

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"La fanciulla del West" im Nationaltheater.

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Puccinis "La fanciulla del West" im Nationaltheater.

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Puccinis "La fanciulla del West" im Nationaltheater.

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Puccinis "La fanciulla del West" im Nationaltheater.

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Puccinis "La fanciulla del West" im Nationaltheater.

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Die im Auge von Operngourmands womöglich stadttheaterhaft karge Bühne (Mathias Fischer-Dieskau) und die Kostüme (Sabine Greunig) verlegen die Handlung ins Heute und vermeiden Western-Klischees. Weil jeder Sicherheitsmann aber heute wie ein Sheriff aussieht, bleibt der historische Schauplatz der Geschichte auch den Stern auf der Brust gegenwärtig. Dass die hinter Stacheldraht hausenden Goldgräber an Migranten erinnern, weil die multikulturelle Herkunft der Sänger nicht verleugnet wird, gibt der Geschichte einen Zug ins Allgemeine einer existenziellen Ortlosigkeit, die hier gut passt.

Den Abend tragen - neben einem exzellenten Großensemble aus vielen scharf charakterisierten Männern - die drei Sänger der Hauptrollen. Niemand singt absolut perfekt. Aber die eine oder andere Schärfe stört nicht, weil das zum Milieu, der Stimmung und zu Puccinis Musik passt, die herber klingt als seine berühmteren Opern.

Robuste Stimmen

Die Rolle der naiven, unbedingt liebenden Wirtin wirkt im Textbuch ziemlich papierern. Die anfangs ein wenig hartstimmige Anja Kampe schafft es aber, die etwas linkische Erotik Minnies mit charismatischen Auftritten und einer ständig präsenten Damenpistole Man nimmt Anja Kampe sogar die sehr amerikanische Bibelstunde ab. Und es wirkt glaubhaft, dass sie sich erst widerstrebend und dann doch umso extremer in den inkognito auftretenden Räuber, der in Gestalt von Bandon Jovanonvich an einen leicht gealterten Rockstar erinnert, was keineswegs stört.

Dass der Amerikaner bisweilen mehr robust als schön singt, harmoniert gut mit der Figur. Gleiches gilt für die etwas gaumige Schwärze der Stimme von John Lundgren als Sheriff. Der wirkt mit seinem kahlen Kopf brutal und unsympathisch, obwohl sich Rance im Unterschied zu seinem römischen Vorgänger Scarpia in vergleichbarer Situation als Ehrenmann erweist.

Eine Hauptrolle für das Orchester

Robuste Stimmen und im Ernstfall auch schneidende Lautstärke braucht es auch deshalb, weil Dirigent James Gaffigan das Bayerische Staatsorchester mächtig aufdreht. Das ist hier unvermeidlich, weil es zu Puccinis symphonischem Konzept gehört, der hier im Unterschied zu anderen italienischen Opern eine vierfache Holzbläser-Besetzung vorschreibt. Die sorgt für einen Überwältungssound, der diese Oper zu einem einmaligen Orchesterfest macht, wie man es sonst nur von Richard Strauss oder Franz Schreker kennt.

Der junge Musikchef des Luzerner Theaters hat ein gutes Gefühl für ein freies und zugleich kontrolliertes Tempo. Gaffigan arbeitet den aus einem Urgrund von Hoffnungslosigkeit kommenden Sehnsuchtsklang von "La fanciulla del West" hervorragend heraus, ohne in Kitsch zu verfallen. Und er zeichnet geschickt den mosaikartigen Charakter der Musik nach, die von der einen zur anderen Sekunde von Lyrik in Brutalität umschlägt.

Die sachdienlich simple, zugleich psychologisch genaue und die Figuren scharf charakterisierende Inszenierung drängt sich nicht in den Vordergrund. Das schafft Raum für die Musik. Eine altmodische Tugend, gewiss. Aber bei einer Oper, die viele Besucher erst noch für sich entdecken müssen, eindeutig ein Vorzug.

Wieder am 19., 22., 26., 30. März sowie 2. April, Restkarten unter 2185 1920. Kostenloser Livestream der Aufführung am 30. März um 19 Uhr auf Staatsoper.tv