Kultur

Nicht jugendfrei

Das Bayerische Landesjugendorchester unter Joseph Bastian in der Isarphilharmonie


Der Dirigent Joseph Bastian.

Der Dirigent Joseph Bastian.

Von Michael Bastian Weiß

Ab und zu lächelt eines der jungen Mädchen ins Publikum oder winkt sogar unauffällig; die Jungs sind dazu schon zu cool. Teenager halt. Übermäßig nervös scheinen die 13- bis 20jährigen ohnehin nicht zu sein. Schließlich haben sie eine intensive Arbeitsphase und fünf Konzerte hinter sich. Wenn in der Isarphilharmonie jemand aufgeregt ist, dann sind das die Eltern und Großeltern. Nur deshalb erinnert die Atmosphäre beim Konzert des Bayerischen Landesjugendorchesters an die eines Schulkonzertes. Wer die Augen schließt, meint hingegen eines der hiesigen Spitzenorchester zu hören.

Tatsächlich wurden die Stimmproben der einzelnen Gruppen unter anderem von Musikerinnen und Musikern des BR-Symphonieorchesters und der Bamberger Symphoniker geleitet. Die illustre Betreuung erklärt aber nicht allein das spektakuläre Niveau des Bayerischen Landesjugendorchesters. In den sieben ausgewählten Liedern von Richard Strauss klingen die Streicher unwiderstehlich seidig, doch an der Oberfläche handkoloriert detailreich.

Lydia Teuscher kann in der duftigen Umgebung des "Wiegenlieds" ihren Sopran intim erblühen lassen und in "Das Rosenband" leise erschrocken von der erwachenden Frau erzählen. Der fabelhafte Sologeiger und die ebensolche Harfenistin schmiegen sich in "Morgen!" zart an die Stimme an, die Lydia Teuscher mit einer Reinheit führt, als ob da ein Kind sänge.

Joseph Bastian, übrigens der Sopranistin Ehemann, verbreitet am Pult des eine himmlische Ruhe, die diese Lieder zu Tongemälden en miniature macht. Phänomenal, wie bewusst er die einzelnen Register auch im Pianissimo einsetzen lässt und mit welchem Weitblick er Straussens harmonische Progressionen und Stimmungswechsel verfolgt.

Für den zweiten Teil hat Bastian nicht etwa ein kindgerechtes Werk ausgesucht. Vielmehr verlangt er mit der Symphonie Nr. 8 c-moll von Dmitri Schostakowitsch den jugendlichen Musikern und Musikerinnen einfach alles ab. Die Holzbläser bilden einen so ausgewogenen, dicht gefügten Block, dass ihre Schreie umso markerschütternder gellen können. Schwarz und satt glänzt das Blech, die Bedrohlichkeit entsteht nicht durch die Lautstärke, sondern durch die schneidende Tongebung.

Obwohl noch keiner von ihnen volljährig ist, kriegen die fünf Jungs vom Schlagzeug ein Crescendo hin, das eigentlich erst ab 18 freigegeben sein dürfte. Und die Solistinnen am Englischhorn, dem Fagott und dem Horn sowie die Solisten an der Klarinette und Trompete lassen dem Publikum kollektiv die Kinnlade herunterfallen.

Was Joseph Bastian zu einem genuinen Schostakowitsch-Dirigenten macht, ist seine Fähigkeit, die oftmals langen melodischen Phrasen mit Sinn aufzuladen; das hat man so intensiv zuletzt von Mariss Jansons gehört. Ob der Komponist nun in seiner Achten die Schrecken des Krieges schildert oder nicht: Die jungen Menschen werden mit einem hochpolitischen Werk körperlich wie geistig voll gefordert - und somit so ernst genommen, wie sie es verdient haben.