AZ-Interview mit Dietmar Lupfer

Muffatwerk-Geschäftsführer: "Brauchen keinen kurzfristigen Rettungsschirm"


Dietmar Lupfer, der Geschäftsführer des Muffatwerks.

Dietmar Lupfer, der Geschäftsführer des Muffatwerks.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Das Kulturkraftwerk Muffathalle steht still - und Geschäftsführer Dietmar Lupfer fordert langfristige Hilfe.

Am 11.März begrüßte das Moka Efti Orchestra aus "Babylon Berlin" die Zuschauer in der Muffathalle noch makaber mit "Willkommen ihr Todgeweihten". Damals allerdings konnte niemand ahnen, dass dies für lange Zeit die letzte Veranstaltung sein sollte. Im Kulturkraftwerk mit Halle, dem Club Ampere, und dem Café finden normalerweise über 500 Veranstaltungen jährlich statt, weit über 200.000 Besucher strömen auf das Gelände. Die Muffathalle bietet das weitreichendste Spektrum an kulturellen Angeboten der Stadt: Hiphop-Konzerte, Tanzstücke, Installationen, Performances, Lesungen, Clubabende, Poetry-Slam, Bühne für Nachwuchsrocker und vieles mehr. Doch nun ist alles still - und Geschäftsführer Dietmar Lupfer vermisst ein klares Signal aus der Politik.

AZ: Herr Lupfer, Großveranstaltungen sind bis zum 31. August verboten. Was bedeutet das für Sie?
DIETMAR LUPFER: Wir wissen nicht, was eine Großveranstaltung ist, das ist von der Politik nicht definiert worden. Aber ich befürchte, dass es größere Veranstaltungen dieses Jahr überhaupt nicht mehr geben wird.

In die Muffathalle passen 1.000 Zuschauer, ins Ampere 400. Vielleicht können dort bald wieder kleinere Veranstaltungen stattfinden?
Selbst wenn Veranstaltungen nach dem 3. Juni wieder zugelassen würden, gelten wahrscheinlich noch die Abstandsregeln. Aber welche Regeln gelten für Veranstaltungen? Müssen wir damit rechnen, dass jeder Zuschauer, wie in einem Geschäft, 20 Quadratmeter Platz haben muss? Dürfen wir Stühle nur im Abstand von 1,50 Metern aufbauen? Wenn das so wäre, dann kann man überhaupt keine Veranstaltung mehr machen, weil die höchst defizitär wäre. Ich rechne in diesem Jahr damit, dass uns 80 bis 90 Prozent des Umsatzes wegbricht. Das bringt uns in existenzielle Probleme.

Sie bekommen immerhin einen Zuschuss von der Stadt.
Wir erhalten einen Zuschuss von der Stadt in Höhe von 611.000 Euro, das deckt normalerweise rund 20 Prozent unseres Etats, den Rest erwirtschaften wir durch Ticketverkauf und Hallenvermietung. Beides fällt jetzt auf unbestimmte Zeit flach.

Am 15. Mai treffen sich die Kulturminister der Länder wieder. Hoffen Sie dann auf klare Regelungen?
Die Kulturminister haben sich bisher ja vor allem um die städtischen und staatlichen Theater und Orchester gekümmert. Die sind aber alle durch feste Budgets gesichert und nicht in ihrer Existenz gefährdet. Für alle freien Veranstalter - und wir reden hier nicht nur über Musik, sondern auch über Literatur, Tanz, Performance, freie Gruppen - gibt es überhaupt keine Planungssicherheit. Aber die Zeit läuft davon für die privaten Kulturanbieter, Agenturen und Künstler.

Was wäre Ihr Vorschlag?
Wir brauchen keinen kurzfristigen Rettungsschirm, sondern einen längerfristigen einen Überbrückungsfonds. Wir haben ja ganz unmissverständlich Solidarität gezeigt, es war völlig klar, dass es zuerst um die Gesundheit ging. Jetzt aber stellt sich wirklich die Frage, ob die Politik die ganzen über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen in der nicht städtischen und staatlichen Kultur mit deutschlandweit Zehntausenden von Mitarbeitern den Bach runtergehen lässt.

Was meinen sie damit?
Als die Politik sich dazu entschlossen hat, aus der Braunkohle auszusteigen, wurde auch nicht alles dicht gemacht. Es wurde ein milliardenschwerer Fonds geschaffen, um die Folgen abzufedern. Es geht jetzt darum, zu verhindern, dass der Gesellschaft etwas Substanzielles nicht verloren geht. Wir haben auch einen Kulturauftrag.

Es zeigt sich, dass die Politik eher an der Rettung von Fußballmillionären und Autokonzernen interessiert ist. Schreit die freie Kulturszene nicht laut genug?
Die Kulturszene besteht aus sehr vielen kleinen und mittleren Akteuren, wir haben ja nicht Anbieter mit hunderttausenden von Mitarbeitern. Die Vielfalt der Kulturlandschaft lebt genau von den vielen kleinen Einheiten. Die können sich natürlich nicht die besten Lobbyisten leisten und sie sind auch keine Fans des politischen Lobbyismus. Kultur ist ein Nährstoff für die Gesellschaft, das sollte die Politik anerkennen.

Was brauchen Sie, um wieder in die Zukunft planen zu können.
Da das Virus nicht so schnell verschwindet, brauchen alle Kulturveranstalter neben einem längerfristigen Überbrückungsfonds schnell einen klaren Zeitplan, wie wir aus dem Lockdown herausfinden können. Der kann natürlich auch mit Eckwerten verknüpft werden, so wie das jetzt auch mit den anderen Lockerungsmaßnahmen geschieht. Und natürlich benötigen wir dann klare Regelungen für ein Veranstaltungskonzept. Die können wir auch gerne gemeinsam erarbeiten.

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