Kultur

Mittelmeer und Saharalicht

Das Haus der Kunst widmet dem 2022 verstorbenen Münchner Textilkünstler Hamid Zénati eine Präsentation


Hamid Zénati: eine Ansicht aus der Installation "All-Over" im Haus der Kunst.

Hamid Zénati: eine Ansicht aus der Installation "All-Over" im Haus der Kunst.

Von Roberta De Righi

Über den rissigen Platten des roten Marmors sprießen neuerdings fantastische Blüten: Ornamentale Formen aller Art treiben aus in Hamid Zénatis textilen Kunstwerken, die jetzt die Mittelhalle des Hauses der Kunst beleben. Unter dem Titel: "All-Over" widmet das Haus dem 2022 verstorbenen Münchner Künstler derzeit eine erste museale Präsentation.

Hamid Zénati, geboren 1944 in Constantine, der drittgrößten Stadt Algeriens, war ein Wanderer zwischen den Welten. Er kam in den 1960er Jahren nach München, doch weil sein Aufenthaltsstatus in Deutschland über längere Zeit hinweg ungeklärt war, blieben seine Lebensbedingungen schwierig. Zunächst hatte er eine Ausbildung an der Fotoschule absolviert, doch es drängte ihn zu freierem Arbeiten. Die Kunst gab ihm auch die Möglichkeit, der prekären Gegenwart zu entfliehen. Er lebte und arbeitete in einer kleinen Wohnung in Neuhausen und, als er wieder einen Pass hatte, die Sommermonate über in Algier. Hier war er ein Paradiesvogel und Einzelgänger, dort war er Teil einer großen Familie.

Hamid Zénati: Porträt in selbstgestalteter Kleidung in den 1970er Jahre.

Hamid Zénati: Porträt in selbstgestalteter Kleidung in den 1970er Jahre.

Seine Stoffbilder, die mitten in der monumentalen Halle wie hängen und auf zwei Podesten wie Teppiche verteilt sind, schlagen bunte Funken vor Lebenslust und Energie. Vor krassen Farben hatte Zénati keine Angst, er kombinierte Rot, Rosa und Hellblau oder Lila, Orange und Grün. Die kräftigen Muster mit ihren starken Hell-Dunkel-Kontrasten wirken mitunter wie von einer glühenden Sonne beschienen. "Er liebte die Sahara", erzählt Kuratorin Anna Schneider, die ihn persönlich kannte, seit sie als Jugendliche Fan der von ihm gestalteten Shirts wurde.

Teilweise sind Zénatis Muster voller organischer Formen wie Blätter, Blüten, Federn und Samenkapseln und erinnern an Matisse und Kandinsky ebenso wie in der ornamentalen Verbindung von Tier- und Pflanzenmotiven an das Prinzip der Arabeske. Andere sind eher geometrisch und lassen an gekachelte Wände oder gar uralte urbane Strukturen denken - von sehr weit oben betrachtet.

Zwischen Kunsthandwerk und freier Kunst changieren seine Entwürfe, die er mittels Schablonen auf Stoff aufbrachte. Einige wirken fast wie Gemälde. Andere waren durchaus zur Vervielfältigung auf Handtüchern oder Bettwäsche gedacht, aber nur wenige sind tatsächlich kommerziell verwendet worden. Dabei würden auch die von ihm bemalten Vasen in einem handverlesen möblierten Interieur absolut gute Figur machen.

Hamid Zénati hat die Vorplanungen der Ausstellung noch miterlebt, ist jedoch vor ihrer Realisierung gestorben. Dass das Haus der Kunst nun mit "All-Over" das Werk des Münchner Grenzgängers ehrt, zeigt, dass die Offenheit des Hauses unter Andrea Lissoni nicht nur behauptet ist. Zugleich macht die späte Würdigung beispielhaft Zerrissenheit und Unsicherheit migrantischer Biografien sichtbar, und deutet an, wie viel es in diesem Bereich noch zu entdecken gibt.

Haus der Kunst, bis 23. Juli, Mi bis So, 10 - 20, Do bis 22 Uhr, Eintritt frei