Münchner Kammerspiele

Matthias Lilienthal will zwar die Welt retten, aber nicht das Klima


Matthias Lilienthal, Intendant der Münchner Kammerspiele.

Matthias Lilienthal, Intendant der Münchner Kammerspiele.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Die Kammerspiele leisten sich einen Langstreckenflug ohne Klimaausgleich als "kleine Geste des Abschieds"

Es gehört zum kulturellen Leben, den eigenen Horizont zu erweitern, Vorurteile abzubauen und Vielfalt bewusst zu leben. Und auch die Welt des Theaters hört nicht an der Münchner Stadtgrenze, in Feldmoching oder im Bayerischen Wald auf. Das soll eingangs betont werden, weil das, was nun kommt, keineswegs bierdimpflig verstanden werden soll.

Ich habe mich heute über eine Pressemitteilung der Kammerspiele gewundert. Ziemlich unzeitgemäß wird da verkündet, Toshiki Okada, einer der prägenden Regisseure der Ära Lilienthal, reise noch einmal aus dem japanischen Kumamoto an, um in München "in nur fünf Tagen mit dem Ensemble eine kleine Geste des Abschieds zu inszenieren".

Da ist es wieder, die dem Kulturbetrieb offenbar unauslöschlich eingebrannte Vorstellung, es sei die verdammte Pflicht und Schuldigkeit aller Künstler und Kuratoren, heute in New York und morgen in Buenos Aires zu übernachten. Es ist das linksliberale Gegenstück zur spießigen Vorstellung vom Menschenrecht des Mallorca-Urlaubs mit Ballermann.

Der überhitzte Hamsterrad

Nicht einmal die Demos von "Fridays for Future" und die Klimadebatte konnten dieses heiß laufende Hamsterrad der maximalen Verbrennung von Kohlendioxid bremsen. Erst der Ausbruch der Corona-Pandemie führte zu einem leichten Nachdenken über den Sinn und Zweck dieser Überhitzung des Betriebs.

Aber nur kurz. Nun dürfen wieder Meilen gemacht werden, als sei die Videokonferenz nicht erfunden. Dass Lilienthal für seinen 24-Stunden-Marathon "Olympia 2666" eigentlich Regisseurinnen und Regisseure "aus Chile, Mexiko, den USA und vielen weiteren Ländern" einfliegen wollte, verkündete die Pressemitteilung seines Hauses wie Rekorde einer Trophäenjagd.

Wie gesagt: Theater ist aus guten Gründen ein Ort der Internationalität und des Zusammentreffens der Kulturen. Wenn aber selbst Stadionrocker wie Coldplay darüber nachdenken, erst wieder auf Tour zu gehen, wenn dies klimaneutral möglich sei, könnte der Bewußtseinswandel auch einen politisch denkenden Menschen wie der scheidenden Intendanten der Kammerspiele erreicht haben.

Meine Nachfrage, ob für den Langstreckenflug Okadas eine Ausgleichszahlung - etwa bei Atmosfair - geleistet würde, löste erst Irritationen aus. Dann hieß es, darüber werde bei der Stadt nachgedacht, aber eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Die durchaus reisefreudigen Münchner Philharmoniker zahlen längst einen Klima-Ablass.

Opening Ceremony mit dem Ensemble der Kammerspiele am 11. Juli um 16 Uhr im Olympiastadion, Nordeingang. Karten telefonisch ab 6. Juli