Kinokritik

"Little Women": Die Grenzen der Freiheit


Vier talentierte Schwestern im New York des späten 19. Jahrhunderts: Eliza Scanlen, Saoirse Ronan, Emma Watson und Florence Pugh (v.l.)

Vier talentierte Schwestern im New York des späten 19. Jahrhunderts: Eliza Scanlen, Saoirse Ronan, Emma Watson und Florence Pugh (v.l.)

Von Nina Caroline Zimmermann

Greta Gerwig hat ihr Lieblingsbuch "Little Women" grandios verfilmt. Die AZ-Kritik.

Unter den Oscarnominierungen für den "Besten Film" ist Greta Gerwig die einzige Frau. Ironischerweise mit ihrer Adaption des Romans "Little Women" - eine Geschichte, die von vier kreativen Schwestern handelt, die aufgrund ihres Geschlechts massiven Benachteiligung ausgesetzt sind. Louisa May Alcotts "Little Women", 1868/1869 in zwei Teilen erschienen, ist in den USA Pflichtlektüre in vielen Schulen und wurde bereits 1917 zum ersten Mal verfilmt. Greta Gerwigs großartige Version - die bislang siebte - spielt noch immer im späten 19. Jahrhundert; es gelingt ihr aber geschickt, die Botschaft der Vorlage ins Hier und Jetzt zu transportieren.

"Little Women": Saoirse Ronan für den Oscar nominiert

"Machen Sie die Geschichte kurz und pikant, und wenn die Hauptfigur eine Frau ist, sollte sie am Ende verheiratet sein", sagt dann auch zu Beginn des Dramas der alte Verleger zu der jungen Autorin Jo (für den Oscar nominiert: Saoirse Ronan). Jo, die viel mit der Autorin Louisa May Alcott gemein hat, schluckt zwar, freut sich aber dennoch über ihr erstes, mit einer Kurzgeschichte verdientes Geld. Auf dem Heimweg rennt sie durch die Straßen New Yorks.

In einer der vielen Rückblenden des kunstvoll mosaikartig erzählten Coming-of-Age-Dramas wird die sieben Jahre jüngere Jo ebenfalls einen wilden Tanz hinlegen - und zwar mit ihrer platonischen Liebe, neben einem Ballsaal, in dem es sehr konventionell und steif zu geht, während die beiden wild und frei durch den Nachbarraum stieben.

"Little Women": Emma Watson, Florence Pugh und Eliza Scanlen

Recht unkonventionell verhalten sich auch die restlichen Mitglieder der mittellosen March-Familie: Die älteste von ihnen, Meg (Emma Watson), will Schauspielerin werden, entscheidet sich aber später für eine Liebesheirat mit einem armen Nachhilfelehrer. Die Jüngste, die freche Amy (Florence Pugh) will Malerin werden. Sie macht sich aber kaum Illusionen über die Möglichkeiten einer Frau in diesen patriarchalen Zeiten, wie sie gegen Ende des Films in einem spektakulären Monolog darlegt. Die gutherzige Beth (Eliza Scanlen) dagegen interessiert sich hauptsächlich fürs Klavierspielen. Ihre fürsorgliche Mutter Marmee (Laura Dern) zieht ihre Mädchen allein und recht progressiv während des Sezessionskriegs auf.

"Little Women": Timothée Chalamet und Meryl Streep

Timothée Chalamet, der den exzentrischen, von den Mädchen als "fünfte Schwester" akzeptierten Nachbarsjungen verkörpert, und Meryl Streep, die die wohlhabende, dünkelhafte Tante March spielt, runden den exzellenten Cast ab. Dieser allein macht Gerwigs Ensemblefilm schon zum einzigartigen Kinoereignis. Doch auch ein fantastisches Setdesign, die herzerwärmende Kameraarbeit von Yorick Le Saux, der geschickte Schnitt, wohlüberlegte Kostüme und die subtile Musik von Alexandre Desplat tragen zu diesem Kinofest bei. Gerwig übrigens kann auf keinen Oscar für ihre Regie hoffen. Nominiert sind in dieser Kategorie nur Männer.

Kino: ABC, Astor im Arri, Cadillac, Kino Solln, Isabella, Royal sowie City (auch OmU), Mathäser (auch OV), Monopol (OmU), Museum und Cinema (OV)
R: Greta Gerwig (USA 135 Min.)