Kultur

"Leise Laute" in der Schauburg

: Ein Musiktheater über Tiere, Menschen und ihre Stimmen und Geräusche


Mit den Ohren sehen: Helene Schmitt und das Musikensemble mit Vera Drazic (Akkordeon), Silvia Berchtold (Blockflöten), Ines Ljubej (Percussion) und Mathias Götz (Posaune).

Mit den Ohren sehen: Helene Schmitt und das Musikensemble mit Vera Drazic (Akkordeon), Silvia Berchtold (Blockflöten), Ines Ljubej (Percussion) und Mathias Götz (Posaune).

Von Mathias Hejny

"Leise Laute" in der Schauburg: Ein Musiktheater über Tiere, Menschen und ihre Stimmen und Geräusche

Sie tragen weiße Kittel, sind mit einem Mikrofon an einer langen Stange und Kopfhörern ausgerüstet und machen mit wichtigem Gesichtsausdruck Notizen auf einem Klemmbrett. Die drei erforschen, wie Natur klingt. Der mit dem Klemmbrett weiß schon viel über die Geräusche, die zum Beispiel Tauben machen: "Ihr Spezialgebiet sind niedrige Frequenzen, das sind sehr tiefe Töne". Manche sind so tief, dass wir Menschen sie gar nicht hören können. "Fazit: Wir sind tauber als die Taube".


Noch besser sind die Fledermäuse, denn sie können wir nicht nur nicht hören, sondern sie können sogar mit den Ohren sehen. Andere sind richtig laut, wie der Elefant, den Posaunist Mathias Götz mit seinem goldfarbenen "Schieberüssel" zum Tönen und zum Tröten bringt. Je geräuschloser und unaufdringlicher sie selbst in dieses klingende Habitat vordringen, desto mehr bekommen sie zu hören, denn die Tiere mögen es eigentlich nicht, belauscht zu werden.

"Leise Laute" ist ein "Musiktheater über einzigartige Lebewesen und ihr Stimmen", das nicht, wie einst der "Karneval der Tiere" von Camille Saint-Saëns Tierstimmen orchestral imitieren will, sondern die Natur mit seinen vielfältigen Klängen zwischen Zirpen, Zwitschern, Kreischen und Brüllen als den wahren Ursprung von Musik erleben lassen soll. Der in Berlin lebende Brite Nicholas Morrish und das Dresdener Ensemble Kling Klang Klong reicherten die Livemusik aus Blockflöte, Posaune, Akkordeon und Perkussionsinstrumenten mit elektronischen Sounds an.

Der gleichfalls auf experimentelles Musiktheater spezialisierte Wiesbadener Regisseur Anselm Dalferth entwickelte mit den Ensemblemitgliedern Helene Schmitt, David Benito Garcia und Michael Schröder einen Spielrahmen, für den das Ausstatterduo Birgit Kellner und Christian Schlechter ein in dschungelhaften Farben glühendes Biotop baute. Hier fließen in 75 Minuten die Grenzen zwischen Forschenden, Erforschten und den Zuschauenden, die in kleinen Gruppen im Raum verteilt sind, zusammen.


Mit der Performance für Zuschauer ab acht gehen sie unerschrocken auch ans Eingemachte der Philosophie. Was ist es, das Mensch und Tier unterscheidet? Die Fähigkeit zu sprechen alleine kann es nicht sein, denn, so lernen wir hier, auch in der Tierwelr wird auf komplexe Weise kommuniziert. Von solchen Grundfragen führt der Weg unausweichlich in die Politik, denn der Mensch ist ein Tier, das zum bedrohlichen Störfaktor im Zusammenspiel der Natur wurde. Wir hören den Biber weinen, dessen Bau nicht nur von Menschen zerstört wurde, sondern der dabei auch seine Familie verlor.

Durchaus verstörend ist die Geschichte vom ehemaligen französischen Präsidenten François Mitterrand, der sich kurz vor seinem eigenen Tod noch einen damals längst verbotenen Genuss gegönnt haben soll: Singvögel, in Schnaps ertränkt, in heißem Fett fritiert und am Stück verschlungen.

Das Finale ist dann auch kein Happy End, sondern Trauer: Es gibt so viele ausgestorbene Arten, von denen wir nie erfahren werden, wie sie sich anhörten. Und "Tag für Tag verliert das klangvolle Orchester der Wildtiere weiter an Stimmen".

Schauburg, Franz-Joseph-Straße 47, heute, morgen, 19. Januar, 10 Uhr, Telefon 2333 71 55