Kultur

Kult-Kabarett der Lach- und Schießgesellschaft: Endgültig ausgelacht?

Die Münchner Lach- und Schießgesellschaft hat ihren Betrieb eingestellt, Rettung ist nicht in Sicht.


Ein Bild aus viel besseren Zeiten im Januar 1999: Die Mannschaft der Münchner Lach- und Schießgesellschaft vor ihrem Domizil in der UrsulastraßeMünchen: v.l. Geschäftsführerin Catherine Miville und die Ensemblemitglieder Simone Solga, Andreas Rebers, Hans-Jürgen Silbermann und Erich Hallhuber. Rechts daneben die Stützen des Kabaretts, Autor Klaus Peter Schreiner und Dieter Hildebrandt.

Ein Bild aus viel besseren Zeiten im Januar 1999: Die Mannschaft der Münchner Lach- und Schießgesellschaft vor ihrem Domizil in der UrsulastraßeMünchen: v.l. Geschäftsführerin Catherine Miville und die Ensemblemitglieder Simone Solga, Andreas Rebers, Hans-Jürgen Silbermann und Erich Hallhuber. Rechts daneben die Stützen des Kabaretts, Autor Klaus Peter Schreiner und Dieter Hildebrandt.

Von Thomas Becker

Das Leben ist kurz, kauf die roten Schuh", dieses gar wunderbare Stück Kabarett über die Implosion der Erde, ist ein Fest für Freunde der gehobenen Kleinkunst. Dargeboten wird es vom ebenso wunderbaren Josef Brustmann. Am Donnerstag ist es endlich wieder so weit, in den heiligen Hallen der good old Lach- und Schießgesellschaft, Einlass ab 18 Uhr heißt es auf der Website. Nun, liebe Leserinnen und Leser, die Brustmann-Fans unter Ihnen müssen jetzt stark sein: Die Vorstellung fällt aus. So wie auch die von Matthias Ningel am Freitag, die von Robert Griess am Samstag sowie vorerst auch alle anderen, die da im Spielplan stehen.

Und das nicht, weil alle plötzlich Schnupfen oder keinen Bock mehr haben, sondern weil der Laden dicht ist. "Die Mehrheit der Gesellschafter hat sich entschlossen, für die Münchner Lach- & Schieß Betriebsgesellschaft mbH die rechtlichen und finanziellen Auswirkungen der bestehenden Situation zu überprüfen und daher den Spielbetrieb bis auf weiteres einzustellen", heißt es in einer Presseerklärung der Lach- und Schießgesellschaft von Montag. Unterschrieben ist sie von Laila Nöth und Bruno Jonas, zwei von drei Gesellschaftern von Deutschlands einst renommiertester Kabarettbühne. Und damit willkommen in einem reichlich absurden Theaterstück, das leider arg ins Tragische lappt.

Das Dilemma im Zeitraffer: Am 22. September 2021 legte Till Hofmann, der die Gesellschaft über 20 Jahre lang als Gesellschafter-Geschäftsführer geleitet hatte, sein Amt nieder und wurde auch als Geschäftsführer von der Gesellschaft abberufen. Ihm folgte Stefan Hanitzsch nach, der Sohn des dem Laden seit Ewigkeiten verbundenen Karikaturisten Dieter Hanitzsch. Nach einem Jahr mit diversen Umbaumaßnahmen (Toiletten, neues Tonstudio in den Büroräumen nebenan) und nur sehr wenigen Veranstaltungen wurde Hanitzsch am 30. September 2022 als Geschäftsführer abberufen; auf seinen Posten als Gesellschafter soll dem Vernehmen nach Helmut Markwort rücken - der Mann war für den Mr Lach- und Schieß Dieter Hildebrandt einst ein dunkelrotes Tuch, ist 86 Jahre alt und soll künftig für den Neuanfang stehen. Falls sich alle beteiligten Anwaltskanzleien irgendwann mal auf was auch immer geeinigt haben sollten.

Bis dahin bleiben mal wieder die auf der Strecke, die nun noch eine Bühne weniger als mögliche Einnahmequellen haben: die Künstler.
Einige, die zuletzt dort aufgetreten sind, haben bis heute noch keinen Euro gesehen, unter Verweis auf die momentan so schwierige Lage.

Woher die rührt, ist für das Duo Nöth/Jonas klar: bei Till Hofmann. Der hatte früher in und um Passau für den erfolgreichen Kabarettisten Jonas Plakate geklebt und den Techniker gegeben, war von ihm als Geschäftsführer zunächst zum Lustspielhaus und später auch zur damals schon darbenden Lach- und Schieß geholt worden. Heute muss man das Verhältnis der beiden wohl als abgekühlt bis tiefgefroren bezeichnen.

In ihrer Presseerklärung schreiben Nöth/Jonas über Hofmann: "Bereits unter seiner Führung konnte die finanzielle Situation der Gesellschaft im Jahr 2017 nur durch die Veräußerung des vollständigen Archivs der Gesellschaft an die Monacensia gehalten werden…. Die weiteren Auswirkungen der Corona-Pandemie haben bis zum Jahresende 2022 zu einer schwierigen Bilanzsituation geführt." Tags darauf reagiert Hofmann, ebenfalls per Presseerklärung: "Bevor sich die Schuldzuweisungen überschlagen, möchten wir als ehemalige Betreiber der Lach und Schießgesellschaft folgendes klarstellen: Corona und die damit verbundene Schließung der Theater hat ALLE getroffen. (...). Als es im September 2021 zur Trennung kam, haben wir die Lach- und Schießgesellschaft mit ca. 70.000 Euro auf dem Konto an die neuen Gesellschafter übergeben. Im folgenden Herbst kamen noch 50.000 Euro Regelförderung der Stadt München hinzu. Ebenso war Förderung für das Ensemble und Coronahilfen beantragt. Der Laden war mitnichten pleite. Niemand hat Herrn Jonas und seine Mitgesellschafter gezwungen, mitten in der Pandemie ohne jegliche Ahnung vom Betrieb eines Theaters die Lach und Schieß zu übernehmen. Also möge man nun nicht bei uns nach den Schuldigen suchen. Wir, das gesamte Team der damaligen Lach- und Schieß, hätten die gute alte Dame gerne durch die Coronazeit geführt, und wir sind sicher, wir hätten das auch geschafft. Allerdings nicht unter dieser neuen Gesellschafterkonstellation. Bruno Jonas und Laila Nöth waren nicht bereit, ihre Anteile zu verkaufen. Darum haben wir die Konsequenzen gezogen. Wir hoffen sehr, dass der Spielbetrieb im Laden wieder aufgenommen werden kann, der Stadt fehlt ein Theater dieser Größe (in jeder Hinsicht) sehr."

Egal, mit wem aus der Branche man sich über die Lach- und Schieß unterhält: Jede und jeder schüttelt nur noch den Kopf. Blankes Unverständnis allerorten. Und über allem Zwist die Frage: Wie geht's weiter? Insolvenzantrag? Und dann? Die Immobilie samt Büro und Künstlerwohnung gehört der Spaten-Brauerei, bei der die Lach- und Schieß seit Jahr und Tag Mieter ist.

Was passiert, wenn diese Miete nicht mehr gezahlt wird? Aus dem Kulturreferat der Stadt heißt es dazu, man stehe im Austausch mit allen drei Gesellschaftern der Lach- und Schieß: "Der Stadtrat hatte bereits 2021, als es wegen einer Mieterhöhung finanziell eng wurde, eine Unterstützung beschlossen. Da die traditionsreiche Einrichtung ein eigenes Ensemble unterhält und Eigenproduktionen realisiert, wurde angesichts dieser einzigartigen Stellung in München eine Förderung in Höhe von bis zu 50.000 Euro pro Jahr zugesagt. Der Erhalt der traditionsreichen Lach- und Schießgesellschaft ist der Stadt also sehr wichtig. Das Kulturreferat kann in der aktuellen Situation möglicherweise eine moderierende Rolle einnehmen. Voraussetzung für die weitere Förderung ist natürlich, dass es eine echte Chance auf eine - auch finanziell - geordnete Fortführung gibt. Das erfordert z.B. einen belastbaren Wirtschaftsplan über das aktuelle Jahr hinaus."

Klingt prima, nur: Wer soll diesen belastbaren Wirtschaftsplan aufstellen? Bruno Jonas sagte laut "SZ" er habe keinen Überblick über die Finanzen - eine erstaunliche Aussage. Andererseits überrascht einen in diesem Theaterstück allmählich gar nichts mehr. Neulich, bei einem der letzten Kabarettabende in der Lach- und Schieß, gab der Künstler auf der Bühne im Rahmen seines Programms tatsächlich ein Stellengesuch der Veranstalter weiter: Es werde Gastro-Personal gesucht. Wer Interesse habe, solle sich doch bitte schön melden. Wie tief kann man eigentlich sinken?

Josef Brustmann erfuhr übrigens am Montag, dass er am Donnerstag nicht zu kommen braucht. Seine Fans müssen ihm nun entweder nach Mühlheim (Freitag) oder Darmstadt (Samstag) hinterherfahren oder warten, bis er wieder in der Gegend ist: 24. März, Markt Indersdorf, Gasthaus Doll, Einlass ab 18 Uhr. Garantiert.