Kultur

In die Freiheit tanzen

Das Musical "Dirty Dancing" begeistert im Deutschen Theater


Deike Darrelmann und Máté Gyenei als charmantes Paar in "Dirty Dancing".

Deike Darrelmann und Máté Gyenei als charmantes Paar in "Dirty Dancing".

Von Anne Fritsch

Die Röcke sind kurz, die Ferien lang und die Tänze: schmutzig! Dieser Film spricht menschliche oder vielleicht doch eher pubertäre Ursehnsüchte an: die vom unschuldigen Mädchen, das sich durch die Liebe zur selbstbewussten jungen Frau mausert; und die vom starken Mann, der genau weiß, wie er eine Frau (oder eben ein Mädchen) anfassen muss und schließlich vom Casanova zum Liebenden wird.

Läuterung, Überwindung von Widerständen durch Gefühl, ein Hauch Sozialromantik und natürlich ein Happy End. Gepaart mit einer Sommerferienkulisse, Ohrwürmern wie "(I've had) The time of my life" und Hebefiguren, die sich ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben haben, wurde "Dirty Dancing" von Regisseur Emile Ardolino 1987 zum Kultfilm.

"Dirty Dancing" hat keine Angst vor Klischees und feiert ein Frauen- und auch Männerbild, das einem im Jahr 2023 doch einige Schauer über den Rücken jagt. Tanzlehrer Johnny hatte jede Menge Frauen, als er auf die 17-jährige Frances Houseman trifft. Diese wird von allen "Baby" genannt, hat seiner Erfahrung lediglich den Charme der Naivität entgegen zu setzen und erlebt doch eben in dieser testosterongesättigten Umgebung "die beste Zeit ihres Lebens".

Die Musicalfassung, die nun in der Regie von Federico Bellone und Alex Balga am Deutschen Theater Premiere hatte, ist sich der inhaltlichen Schwachstellen der Vorlage zumindest in Teilen bewusst. Sie versucht daher, das Drehbuch von Eleanor Bergstein ein wenig anzupassen, ohne die kultigen Sätze und Momente, auf die hier alle warten, zu eliminieren. Máté Gyenei darf als Tanzlehrer Johnny seinen gut trainierten Oberkörper präsentieren und sagen: "Mein Baby gehört zu mir." Deike Darrelmann darf als "Baby" schüchtern stammeln: "Ich habe eine Melone getragen."

Bereits zu Beginn aber wird nicht nur die Zeit der Handlung - wie im Original - im Sommer 1963 verortet, es wird zudem die damalige Weltlage mit einbezogen: John F. Kennedy ist noch Präsident, die Kuba-Krise ist überwunden, die Rassentrennung nicht.

Einmal wird Martin Luther Kings berühmte "I have a dream"-Rede aus einem Radio erklingen, am Lagerfeuer wird das Protestlied "We shall overcome" gesungen.

"Baby" ist hier, trotz ihres unwürdigen Namens, eine kleine Aktivistin. Wenn sie groß ist, will sie "in die Friedensbewegung" gehen, schon jetzt kämpft sie für Gleichberechtigung und gegen Rassismus. Erstaunlicherweise geht diese merkwürdige Vereinigung von Kitsch und Kritik, von Naivität und Protest einigermaßen auf.

Schließlich ist sie schon im Original ein bisschen aufsässig, setzt sich für Gerechtigkeit ein, als Johnny zu Unrecht des Diebstahls verdächtig wird, widersetzt sich ihrem geliebten Vater: "Du hast mir gesagt, das alle die gleiche Chance haben. Aber du meintest nur die, die so sind wie du."

Hier wird sie noch stärker zur moralischen Leitfigur zwischen den beiden Welten, die in diesem Feriencamp aufeinandertreffen: die der Angestellten, der Untergebenen, die ihre Freiheit in den titelgebenden "schmutzigen Tänzen" suchen; und die der reichen Sommergäste, die brav Cha-Cha-Cha tanzen und meinen, sie könnten für Geld alles kaufen (auch ein bisschen Liebe).

Die Inszenierung rekonstruiert in Kostümen und Choreographien minutiös das Original. Wer hier auf die bekannten Szenen und Momente wartet, wird nicht enttäuscht. Riesige Melonen, Ringelshirt, Flatterkleid, Lockenkopf, Sixpack - alles da. Und was Charme und Ausstrahlung angeht, können Deike Darrelmann und Máté Gyenei es locker mit Jennifer Grey und Patrick Swayze aufnehmen.

Deutsches Theater, bis 26. März, Di - Fr 19:30 Uhr, Sa 15 Uhr und 19:30 Uhr, So 14.30 und 19 Uhr