AnnenMayKantereit im Zenith in München

Henning May und die Generation Dutt


Die Konzertbegleiterin von Moses Wolff, Steffi York, schoss dieses Gegenlichtbild im Zenith.

Die Konzertbegleiterin von Moses Wolff, Steffi York, schoss dieses Gegenlichtbild im Zenith.

Von Adrian Prechtel / TV/Medien

Moses Wolff über das Samstagskonzert von AnnenMayKantereit im Zenith. Eine Konzert-Kritik.

Das relativ junge Publikum steht brav in der Schlange, die Anweisungen der Sicherheitsmitarbeiter werden gewissenhaft befolgt. Etwa die Hälfte der Zuhörer jeden Geschlechts hat die Haare am Hinterkopf zu einem Dutt zusammengebunden. Es fühlt sich ein bisschen so an wie ein Ausflug ins Schullandheim, jeder ist vorfreudig, pfadfinderhaft und auf eine angenehme Art bescheiden. Die Euphorie der Besucher findet im Stillen statt.

"Die Vögel scheißen vom Himmel" im Zenith

Das Vorspiel macht die Frauenband Gurr mit Andreya Casablanca und Laura Lee. Sie erinnern etwas an die B-52s, spielen souveränen Indie-Pop. Nach einer kurzen Umbaupause kommen AnnenMayKantereit auf die Bühne. Sie beginnen ihr Konzert mit dem Gassenhauer "Marie", der charismatische Sänger Henning May hat die Gitarre weit oben in Brusthöhe umgehängt. Es werden keine spektakulären Bühneneffekte aufgefahren, der Fokus liegt auf dem sauberen musikalischen Handwerk und der für das Zenith ungewöhnlich guten Akustik. Der Saal singt mit: "Die Vögel scheißen vom Himmel und ich schau dabei zu, und ich bin hier und alleine, Marie, wo bist du? Marie, wo bist du?".

Kaum Handy-Mitfilmer, alle respektvoll

Dieses Mantra wiederholt sich und entführt die Besucher in einen emotionalen, eher leisen, meditativen, zarten Rausch samt verhaltenem, aber spürbarem Bewegungsdrang. Das Quartett kommt authentisch rüber, es gibt keine Doppeldeutigkeiten, keine Schnörkel. Band und Publikum bilden vom ersten Ton an eine liebenswerte und zurückhaltende Einheit, chillen ihre Base. Auffällig wenige Hände filmen mit ihren Smartphones, der ganze Abend verläuft angenehm, sehr respektvoll.
Großartig untermalt Trompeter Ferdinand Schwarz die extrem gut abgemischte Musik mit Mariachi-Klängen. Es gibt wenige, kurze Zwischenansagen, der Kontakt zum Publikum wird elegant gehalten. Die Zuhörer werden aufgefordert, zur Europawahl zu gehen und Henning May betont seine große Freude über den rasanten Aufstieg der Gruppe, die vor ein paar Jahren noch als Vorband von Clueso aufgetreten ist und jetzt zwei Mal hintereinander das Zenith füllt.

Reibeisenstimme eines netten Typen

Der eigentliche Clou der Kölner Rockband ist die Stimme des Frontmannes, der fast alle Lieder textet und komponiert. Diese raue Reibeisenstimme, die einen krassen Kontrast zu seinem eher netten, unscheinbaren Äußeren bildet und mit der er markant und rauchig klare und höchst emotionale Botschaften von Liebe und Sehnsucht vermittelt. Gepaart mit der lässigen Musik seiner Bandkollegen berührt er damit die Herzen, nach jedem Song gibt es euphorischen Applaus. Immer wieder führen die Sanitäter junge Mädchen, deren Kreislauf die anziehende Erotik des Sängers zuviel wird, nach draußen.
AnnenMayKantereit sind lieb, leise und luftig, die Lieder kommen direkt aus dem Leben, sind wie ein zartes Klopfen, wollen nicht missionieren, sondern berühren. Trotzdem steckt, wenn man genau hinhört, auch eine politische Botschaft darin. Das ist der Zauber, der die Generation Dutt zusammenbringt.