100. Geburtstag des Designers

Hans Gugelot: Maßvoll, einfach, praktisch, gut


Hans Gugelot (sitzend) mit seiner Entwicklungsgruppe an der Hochschule für Gestaltung Ulm, 1960.

Hans Gugelot (sitzend) mit seiner Entwicklungsgruppe an der Hochschule für Gestaltung Ulm, 1960.

Von Adrian Prechtel / TV/Medien

Vom Braun-Rasierer bis zum Kodak-Carousel - Hans Gugelot hat die Produktwelt der jungen Bundesrepublik entscheidend geprägt. Höchste Zeit, sich am 100. Geburtstag an den Designer zu erinnern

Acht Mann auf einem Bett - diesen Materialtest übersteht so schnell kein Lattenrost. Die Herren hatten sich zwar gleichmäßig auf den nicht einmal zwei Quadratmetern Liegefläche verteilt, und das Gestell war immerhin aus Stahl, doch der Federboden bestand lediglich aus einer Sperrholzplatte mit eingeschnittenen Dreiecken. Und um es gleich vorwegzunehmen: Das "GB 1085" von 1954 wird heute noch verkauft, wenngleich es im Preis deutlich gestiegen ist wie so vieles, das sich ein kluger Kopf irgendwann ausgedacht hat, um Gutes mit wenig Geld herzustellen. Und Hans Gugelot war dazu ein fabelhafter Gestalter. Das Kodak-Carousel und stapelbare Bierkästen für Paulaner gehen auf sein Konto, rollbare Fernseher, Braun-Rasierer und der berühmte "Schneewittchensarg".

Seine ästhetische Heimat: Die Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm

Dass Hans Gugelot, der am heutigen 1. April 100 Jahre alt geworden wäre, nicht mehr ganz so präsent ist, wie es dieser Designer, Architekt, Lehrer, Jazzgitarrist und überhaupt vielseitig Talentierte verdient hätte, hängt auch mit seinem frühen Tod zusammen. 1965 starb der ruhelose Niederländer aus der Schweiz im Alter von nur 45 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts. Er stand damals ganz oben auf der Erfolgsleiter, hatte im Jahr zuvor auf der documenta ausgestellt und war mit seinen Produkten in unzähligen Haushalten der jungen Bundesrepublik präsent. Die Hamburger fuhren in seinen U-Bahnwagons durch die Stadt, und für BMW hatte Gugelot gerade erst einen flammensicheren Sportwagen aus dottergelbem Bayer-Kunststoff entworfen.

Was allerdings nach Designer-Jetset mit durchgestyltem Büro-Atelier im Wolkenkratzer riecht, hat mit dem bescheidenen "Güschelo" - so wird er ausgesprochen - rein gar nichts zu tun. Sicher, er ist international unterwegs und lehrt am National Institute of Design im indischen Ahmedabad, auch die Hochschulen in Stuttgart und Hamburg machen ihm heftige Avancen. Doch der Familienvater will partout in Ulm bei seinen Studenten bleiben. Oft genug sind sie seinetwegen an die Hochschule für Gestaltung (HfG) gekommen, diese 1953 gegründete und bedeutendste Lehranstalt nach dem Bauhaus.

Baukastensysteme begeistern ihn

Hier kann er im Team arbeiten, so, wie er gemeinsam mit seinem Schweizer Landsmann Max Bill und Paul Hildinger 1954 den Ulmer Hocker aus drei Fichtenholzbrettern und einem Stück Besenstiel entwickelt hat. Ganz in der Bauhaus-Tradition geht es in Ulm um praktische, in großen Mengen herstellbare Möbel und Geräte, die flexibel, leicht und stabil zugleich sind. Und Gugelot ist der perfekte Vermittler, denn Baukastensysteme begeistern ihn seit seiner Zeit als Architekturstudent an der ETH Zürich. Der 1920 in Indonesien geborene Sohn eines Mediziners würde am liebsten mit Fertigteilen bauen, doch seine Ideen finden bei den verschiedenen Architekten, die ihn engagieren keinen Anklang.

Das Schrankwandprogramm "M125"

Das wird sich bei den Systemmöbeln dann bald ändern, und im 1950 eröffneten eigenen Büro kann ihn auch niemand mehr bremsen. "M 125" schlägt jedenfalls richtig ein: Mit dem Schrankwandprogramm aus vorgefertigten Seitenteilen, Böden, Rückwänden und Türen lassen sich beliebig viele Kombinationen bilden und nach Bedarf wieder verändern. Ikea wird mit diesem Prinzip später Milliarden umsetzen. Wobei Gugelot über Jahre hinweg typische Alltagsgegenstände wie Geschirr, Schuhe, Bücher, Schallplatten und Flaschen auf ihren Gebrauchsradius hin untersucht hat und dazu die Bedienungs- und Sichthöhe der Benutzer miteinbezog.

Belastungstest mit acht Mann

Auch das erwähnte Bettgestell bestand nicht nur den Belastungstest der HfG-Kollegen, sondern wurde mit einer simplen Schaumstoffmatratze zum bequemen, leicht rangierbaren Schlafmöbel.
Ein weiteres Feld tut sich schließlich im Bereich der Elektronik auf. Erwin und Artur Braun wollen nach dem Tod des Vaters das Unternehmen umkrempeln und mit ansprechenden, innovativen Produkten auf den Markt kommen. An der Ulmer HfG werden die beiden schnell fündig, und Hans Gugelot erweist sich wieder einmal als idealer Partner. Sein ganzheitlicher Ansatz wird das Erscheinungsbild der Firma über Jahre hinweg prägen, und für die Studenten bietet sich die Gelegenheit, nicht ins Blaue hinein, sondern für den tatsächlichen Gebrauch zu entwerfen. Das Salär fließt übrigens in den Unterhalt der Hochschule.

Es entstehen Rundfunkgeräte, Fernseher - und 1956 schließlich in Zusammenarbeit mit dem späteren Braun-Chefdesigner Dieter Rams die Kombination "SK 4" aus Radio und Plattenspieler. Wegen seines eleganten Plexiglasdeckels wird das Erfolgsprodukt bald als "Schneewittchensarg" bezeichnet. Noch sehr viel häufiger ist dann ab 1961 der Braun-Sixtant in den Badezimmern der Republik anzutreffen, ein schlichter Rasierer, der gut in der Hand liegt und ohne Mucken seinen Dienst tut.

Im Stil sah er den Beginn der Korruption des Design

Wäre es nach Gugelot gegangen, dann hätte bald auch ein Haushaltswunder Karriere gemacht: Die Küchenmaschine "K 4" konnte Teige rühren, Kartoffeln schälen, bohren, schleifen und sogar Schuhe putzen. Der Thermomix ist dagegen ein fader Kochtopf, doch es hat nicht sollen sein. Mit der Zeit gingen die Interessen der Beteiligten auch immer weiter auseinander. Der skrupulöse Entwerfer, der großen Wert auf freundschaftliche Beziehungen zu seinen Auftraggebern gelegt hatte, wollte gute Produkte für viele kreieren, aber keinen Firmen-Stil und schon gar keine persönliche Handschrift pflegen. "Im Stil sah Gugelot den Beginn der Korruption des Design", erinnert sich sein HfG-Freund Otl Aicher 20 Jahre nach dem Tod. Und weil dieser Hans Gugelot nie darauf aus war, Pirouetten der Eitelkeit zu drehen, überzeugt seine klare Arbeit bis heute.

Die Ausstellung zum 100. Geburtstag von Hans Gugelot im HfG-Archiv Ulm konnte noch nicht eröffnen. Der Katalog "Hans Gugelot. Die Architektur des Design" bietet eine lesenswerte Alternative (avedition, 28 Euro, Bestellung: hfg-archiv@ulm.de)