Kultur

Ein Bassist geht aufs Ganze

Günther Groissböck und Julius Drake mit romantischen Liedern im Prinzregententheater


Der österreichische Bassist Günther Groissböck.

Der österreichische Bassist Günther Groissböck.

Von Michael Bastian Weiß

Pfeifende Hörgeräte sind ja für die Erfahrenen im Publikum nichts Neues. So etwas hat man aber noch nicht erlebt: Günther Groissböck trägt gerade mit Inbrunst Lieder von Richard Strauss vor, als so ein kleines Ding im Ohr derart verrückt spielt, dass es der Sänger auf der Bühne mitkriegt und aus den Sitzreihen des Prinzregententheaters Ratschläge gerufen werden. Ganz offenkundig ist die Technik mit der schieren Naturgewalt dieser Bassstimme hoffnungslos überfordert.

Günther Groissböck hat also das Hörgerät kaputt gemacht. Natürlich unabsichtlich. Erstaunlich erscheint im Nachhinein eher, dass es so lange gedauert hat. Denn der Österreicher geht schon im ersten Teil seines Liederabends, der Franz Schubert gewidmet ist, aufs Ganze. Gleich die ersten Strophen von "Prometheus" donnert Groissböck so monumental, wie es dem unerhörten Akt, den Göttervater selbst herauszufordern, gerade angemessen ist. Es ist gut, dass er auch die angestrengten Zuckungen in "Grenzen der Menschheit" nicht unterschlägt, wobei sein Klavierbegleiter Julius Drake hier auch einen regieführenden Anteil übernimmt.

Selbstverständlich kann Groissböck nicht nur laut. In vier Liedern und Balladen von Carl Loewe, der heutzutage zu selten auf dem Programm steht, bezieht er seine ungeheure Intensität aus der Konzentration, dem sichtbaren Sich-Sammeln, das etwa "Odins Meeresritt" vorausgeht. Im liebenswerten Biedermeier des Liedes "Die Uhr" nähert er sich zusehends dem balsamischen Strömen an, das in dieser Form eigentlich nur Kurt Moll zueigen war; gleichzeitig wirkt der unbedingte Ernst, mit dem er dieses Kleinod gestaltet, jeder Sentimentalität entgegen. In der berühmten "Zueignung" von Richard Strauss, vor allem aber in "Befreit!", ist seine tiefe Ergriffenheit authentisch. Kaum ein echter Bass klingt so wenig onkelhaft wie Günther Groissböck.

Überhaupt scheut sich der Mittvierziger immer weniger, an stimmliche und emotionale Grenzen zu rühren. Nicht zufällig hat er aus Gustav Mahlers "Wunderhorn"-Liedern die niederschmetternden Militärstücke ausgesucht, darunter "Revelge" und "Der Tambourg´sell". Julius Drake macht hier den Flügel zu einer Großen Trommel, und Groissböck marschiert gesanglich mit einer so naturalistischen, dabei verzweifelten Grobheit mit, dass die wenigen wehmütig zärtlichen Kantilenen umso direkter ans Herz gehen - und nur das stille "Urlicht" Trost spenden kann.

Und das Hörgerät? Hat sich letztendlich beruhigt, besänftigt wohl vom bassistischen Balsam des Günther Groissböck.

Einen Teil des aktuellen Programms singt Günther Groissböck auf seiner neuen CD "Nicht Wiedersehen!" (Gramola)