Kultur

Die Retour-Kutsche

Alligatoah beliefertdie Fans im Zenith mit einem bunten Hit-Paket


Alligatoah auf ihrer "Retour"-Tour - hier am Tag von dem München-Auftritt in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle.

Alligatoah auf ihrer "Retour"-Tour - hier am Tag von dem München-Auftritt in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle.

Von Christoph Streicher

Ein bisschen Schauspiel hier, ein wenig Gesellschaftskritik da. Garniert in schmissigen Songs. Klingt im ersten Moment wie das Singspiel auf dem Nockherberg. Doch vorn stand keine Politiker-Inszenierung, sondern Rapper Alligatoah als toxischer Geschäftsmann in einem Paketzentrum auf seiner "Retour"-Tour.


Und was hat man nicht schon alles für Aufbauten bei einem Alligatoah-Singspiel erlebt! Da drehte sich ein riesiges Hotel mit verschiedenen Zimmern. Oder eine überdimensionierte römische Streitwagen-Kutsche schmückte die Bühne. Diesmal war es eher spartanisch eingerichtet: weniger Kutsche, mehr Retour.

Geliefert wurde eine bunte Mischung aus Hip-Hop, Pop, Rock, Metal und Schlager. Die Bühne - der Umschlagplatz der Hits - war mit zwei Förderbändern ausgestattet. Auf denen fuhren die Bandmitglieder zwischen Paketen in knall-orangen Warnwesten hin und her und wurden fix als Bedienstete vom Chef vorgestellt.

Der plauderte ironisch etwas von Karrierezielen und seinem Musik-Stil: "Ich bin eigentlich ein Metal-Head, gefangen im Körper eines Rappers. Aber irgendwann bricht es raus." Es brach bei seinem Hit "Monet" raus, den er mit seinem Rap-Kollegen Sido veröffentlichte. Diesen gab es als extra laute Heavy-Metal-Version. Auch bei "Mit dir schlafen" ersetze er den Part seiner Duett-Partnerin Ester Graf einfach durch eine Cover-Version von "Teenage- Dirtbag".

So abwechslungsreich sein Musik-Stil ist, so eindeutig sind seine Texte. Teils zynisch, gesellschaftskritisch und mit mindestens einer Meta-Ebene verziert. Immer wieder kettete Alligatoah ironische und absurde Wortspiele aneinander, um in der nächsten Zeile einen absolut mitgrölbaren Refrain zu produzieren.

Da wurde konsumkritisch von "Wo kann man das kaufen" gesungen, eine Raucherpause mit "Feinstaub" eingelegt oder über die prekäre Situation von Paketzustellern in "Nebenjob" gerappt.

Mit "Lass liegen" stänkerte er gegen die Umweltverschmutzung und "Du bist schön" nahm die Beauty-Industrie aufs Korn. Gut die Hälfte der Hits an diesem Abend kam aus dem neuen Album "Rotz und Wasser". Auch hier geht es immer um Kapitalismuskritik. In "Nachbeben" heißt es zum Beispiel: "Ich acker wie ein Irrer, um die Kröten zu verdienen, und kann mir später Dinge leisten, so wie Burn-Out Therapien". Für den Sänger ist das Grund genug, nach der Zugabe noch die klare Ansage ins Publikum zu rufen: "Kein Job dieser Welt ist es wert, dass ihr eure geistige Gesundheit aufs Spiel setzt".

Doch natürlich waren auch die Kracher dabei, die seine Karriere vor neun Jahren starten ließ und ihn in sämtliche Radiostation und auf die großen Festivals dieser Republik brachte. "Willst du" oder das ganz intime und ruhige "Trauerfeierlied".


Als Zugabe lieferte er den Fans im Zenith noch einen ganz eigenen Song über München. Freddie Mercury, Sänger der Band Queen, stand da im Mittelpunkt und Alligatoah sang: "Mama, ich brauch sofort ein Zimmer in München".

Kapitalismuskritik, mit dem sich der junge Teil des Publikums sicher gut anfreunden kann. Auch wenn es diesen Spruch für schlappe 35 Euro auf einem T-Shirt am Merch-Stand zu kaufen gab - immerhin ohne Versandkosten.