Bayerischer Buchpreis

Die Jury kürt David Wagner und Jan-Werner Müller


Bayerischer Buchpreis 2019: Die drei Preisträger: Joachim Meyerhoff, Jan-Werner Müller und David Wagner (von links).

Bayerischer Buchpreis 2019: Die drei Preisträger: Joachim Meyerhoff, Jan-Werner Müller und David Wagner (von links).

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Bayerischer Buchpreis: Die Jury entscheidet sich bei ihrer öffentlichen Beratung in der Allerheiligen-Hofkirche für David Wagner und Jan-Werner Müller

"Ich bin einfach gerne mit dabei, wenn kluge Leute klug über Bücher reden", sagt Michael Then bei der Verleihung des Bayerischen Buchpreises am Donnerstagabend in der Allerheiligen-Hofkirche. Then ist Vorsitzender des Landesverbandes Bayern im Börsenverein Deutscher Buchhandel, der den mit 10 000 Euro dotierten Preis auslobt, und begründet so, warum die Preisträger erst am Abend der Preisverleihung live vor Publikum ermittelt werden.

Jedes der drei Jurymitglieder hat im Vorfeld jeweils ein Sachbuch und einen Roman nominiert. In der Allerheiligen-Hofkirche sollen sich Sandra Kegel (FAZ), Svenja Flaßpöhler (Philosophie Magazin) und Knut Cordsen (BR) innerhalb von zwei halbstündigen Diskussionen auf die Preisträger in beiden Kategorien verständigen. Außerdem wird an diesem Abend der Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten an den Schauspieler und Schriftseller Joachim Meyerhoff verliehen.

Die live im BR übertragene Jurysitzung beginnt mit einer Überraschung: Die erste Nominierung im Bereich Sachbuch wird von den Juroren zurückgezogen. Gegenüber Cornelia Koppetschs "Die Gesellschaft des Zorns. Rechtspopulismus im globalen Zeitalter" gebe es mittlerweile Plagiatsvorwürfe oder, wie es Jury-Vorsitzende Sandra Kegel ausdrückt, Zweifel bezüglich der "korrekten Zitierweise".

Koppetsch räumt Fehler ein

Wie kurz vor der Preisverleihung bekannt wurde, habe Koppetsch Begriffe und Passagen aus Andreas Reckwitzs Buch "Die Gesellschaft der Singularitäten", aus dem Sammelband "Arbeiterbewegung von rechts" und anderen Werken übernommen, ohne diese zu kennzeichnen. Koppetsch selbst habe inzwischen Fehler eingeräumt, verteidige jedoch die wissenschaftliche Eigenständigkeit ihrer Thesen.

Die Jury ist im Vorfeld überein gekommen, dass Koppetschs Buch zum jetzigen Zeitpunkt nicht als in sich abgeschlossenes Werk beurteilt werden könne, obwohl man Koppetschs neuartige Analyse des Rechtpopulismus, die ganz "ohne Pathologisierung" auskomme, weiterhin für bedeutsam halte. Als Preisträger zur Auswahl stehen somit der Essay "Furcht und Freiheit. Für einen anderen Liberalismus" von Jan-Werner Müller und "Warum Demokratien Helden brauchen. Plädoyer für einen zeitgenössischen Heroismus" von Dieter Thomä.

Hier wird Svenja Flaßpöhler in ihrer leidenschaftlichen Argumentation für Thomäs "Helden" überstimmt, und Jan-Werner Müller, der für einen universellen Liberalismus als Idee eines Lebens ohne Furcht und Abhängigkeiten argumentiert, gewinnt in der Kategorie Sachbuch.

So unterschiedlich die nominierten Bücher im Bereich Belletristik sind, so eindeutig ist hier das Jury-Ergebnis: Am Ende halten alle Juroren David Wagners autobiografischen Roman "Der vergessliche Riese" in die Höhe. Das Buch erzählt von der Beziehung eines erwachsenen Sohnes zu seinem dementen Vater. "Die Geschichte einer späten Annäherung. Ein stilles starkes Buch", so Sandra Kegler.

Thematische Überfrachtung

Leer ausgegangen sind damit Carmen Buttjers berührende Jugendgeschichte "Levi" und Steffen Kopetzkys historisch-politischer Roman "Propaganda". An Buttjers Buch kritisieren Sandra Kegel und Knut Cordsen vor allem eine durch häufige Wechsel der Erzählperspektive flankierte thematische "Überfrachtung".

Das Stichwort Überfrachtung greifen Svenja Flaßpöhler und Sandra Kegel in ihrer Kritik an Kopetzkys "Propaganda" auf: Anstatt den Protagonisten, den der Leser vom Zweiten Weltkrieg bis zum Vietnamkrieg und zur Enthüllung der Pentagon-Papers begleitet, "mit Leben zu füllen" erzähle Kopetzky eine überladene Forrest-Gump-Geschichte mit teils zähen Situationsbeschreibungen.

Der einzige Preisträger des Abends, der schon im Vorfeld feststeht, ist Joachim Meyerhoff, der für seinen vierteiligen Romanzyklus "Alle Toten fliegen hoch" mit dem Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten ausgezeichnet wird. Die Laudatio hält stellvertretend Staatsminister Florian Herrmann: Er hebt Meyerhoffs wunderbaren Humor hervor, der "aus der Unzulänglichkeit der Existenz erwächst".
Mit seiner liebenswert ironischen Danksagung sorgt Meyerhoff für einen vergnüglichen Ausklang eines gelungenen Abends, an dem kluge Leute klug über Bücher geredet haben.