Kommunalwahl

Die drei OB-Kandidaten und Münchens Künstler


Kristina Frank (links) und ein politischer Flirt zwischen Katrin Habenschaden und Oberbürgermeister Dieter Reiter.

Kristina Frank (links) und ein politischer Flirt zwischen Katrin Habenschaden und Oberbürgermeister Dieter Reiter.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Teure Stadt, unbezahlbare Ateliers - und nun? Münchens Künstler luden drei OB-Kandidaten zur Diskussion ins Utopia

Der Kommunalwahlkampf geht in die heiße Phase. Darum lud der Berufsverband Bildender Künstler gemeinsam mit dem Verband der Münchner Kulturveranstalter zur Podiumsdiskussion ein zum Thema "Was brauchen Kunst und Kultur in München" ein.

Die Szene war trotz strömenden Regens ziemlich geschlossen ins Utopia gekommen - das ist die ehemalige Reithalle an der Heßstraße -, um live zu erleben, was die Bewerber um das höchste Amt der Stadt zu sagen haben. Geladen waren Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und seine beiden mutmaßlichen Haupt-Konkurrentinnen Kristina Frank (CSU) und Katrin Habenschaden (Grüne). Alle drei sollten zur aktuellen Situation der freien Kunst- und Kultur-Szene Stellung beziehen und eventuelle Visionen skizzieren.

Teure Stadt, unbezahlbare Ateliers - und nun?

Eingestimmt wurden Publikum und Kandidaten durch zwei Impuls-Vorträge: Die Künstlerin Gabi Blum schilderte die prekäre Lage freischaffender Künstler in München zwischen teuren Ateliermieten, hohen Lebenshaltungskosten und - aus Sicht der Künstler - zu geringer städtischer Förderung, die zuletzt bei rund 2,4 Millionen Euro lag.

Der TU-Architekturinformatiker Christos Chantzaras betonte frei nach dem Ökonomen Richard Florida die Bedeutung der Kreativen für die Zukunftsfähigkeit einer Metropole und forderte weitere "Möglichkeitsräume für das Ungeplante". Ohne die Kreativen sei der Untergang der Metropole vorprogrammiert. Die Botschaft an die Politik war damit klar: Obwohl die Szene so wichtig fürs Stadtklima ist, fühlen sich ihre Mitglieder von der Politik im Stich gelassen.

In der anschließenden Frage-Runde versuchten die Spitzen-Kandidatinnen und Kandidaten also, sich beliebt zu machen. Wie die Reaktionen im Publikum schnell offenbarten, traf Katrin Habenschaden am besten den Ton, der hier erwartet wurde. Obwohl sie ihre Zuhörer recht plump umschmeichelte ("Sie sind ein Schatz für die Stadt") und ihre Forderungen nach mehr Ateliers, der Erhöhung von Zuschüssen und zu Kunst-Räumen umfunktionierten Ladengeschossen in Neubauvierteln weder neu, noch sonderlich geistreich waren. Dazu kam noch das Wahlkampf-Gutti "mehr Stipendien für Künstler", das erwartungsgemäß viel Beifall erhielt.

Dieter Reiter als Realo

Der OB konnte immerhin mit einigen Errungenschaften während seiner Amtszeit punkten: Dass das Traumschiff "Alte Utting" am Großmarktgelände Wirklichkeit wurde, hat München auch ihm zu verdanken, und es wurde Einiges auf den Weg gebracht. Man denke an die Entwicklung des Kreativquartiers an der Dachauer Straße, ans Volkstheater und - auch wenn das zu einem endlosen Eiertanz zu werden drohte - ans Stadtmuseum.

Am meisten überzeugte er jedoch als Realo, der die vielen Hürden beschreibt, die bei der Verwirklichung kreativer Ideen genommen werden müssen. Von den juristisch bedingten Einschränkungen bis zum Einspruch der Bürger in den entsprechenden Vierteln.

Kunst auf dem Wertstoffhof

CSU-Frau Kristina Frank hatte es sichtlich am schwersten, die Zuhörer zu erreichen, allerdings waren ihre Formulierungen ("Man muss weiterdenken") auch sehr floskelhaft und ihre Vorschläge eher skurril: Als neue kreative Standorte schlug sie etwa Wertstoffhöfe oder MVG-Depots vor. Oder - nach dem Neubau - die alte Großmarkthalle, wo in der Zukunft doch ein Mix aus Gastronomie, Shopping und irgendwo obendrüber Raum für die Kunst, also Ateliers und Ausstellungsräume, entstehen könne.

Dass die Kultur-Szene letztlich dasselbe zu spüren bekommt, worunter alle Stadtbewohner ächzen, kam nicht wirklich zur Sprache: den verschärften Immobilienmarkt, den auch die jahrzehntelange sozialdemokratisch geprägte Kommunalpolitik nicht gebändigt hat. Linken-Kandidat Thomas Lechner, der nur im Publikum saß und zum Schluss immerhin noch kurz ans Mikrofon durfte, hätte die Diskussion wohl auf die höhere Ebene der Kapitalismuskritik gehoben.

Analysiert man die Veranstaltung nach einem Modell des Kommunikationswissenschaftlers Friedemann Schulz von Thun, muss man feststellen: Auf der Sach-Ebene waren die Aussagen eher dürftig. Alle setzten auf strategische Selbstoffenbarung, wohlplatzierte Appelle und offensive Betonung der Beziehungsebene - was bei Habenschaden und Reiter im Utopia eindeutig besser funktioniert hat.