Kultur

Der Konzertsaal wird Kathedrale

Jakub Hřusa,Lisa Batiashvili und das BR-Symphonieorchester in der Isarphilharmonie


Die Geigerin Lisa Batashvili bei einer Probe in der Isarphilharmonie.

Die Geigerin Lisa Batashvili bei einer Probe in der Isarphilharmonie.

Von Michael Bastian Weiß

Bei Jakub Hřusa muss das Orchester aufmerksam sein. Sein Dirigieren bewegt sich in einem kleinen Radius. Nie kostet er den Schwung einer Geste aus, für das Publikum wirken seine Bewegungen fast unscheinbar. Wie er die Symphonie Nr. 1 von Bohuslav Martinu, einem zu Unrecht kaum bekannten Werk des gebürtigen Böhmen, beginnt, animiert einen nicht unwillkürlich dazu, mit einzusetzen. Bei einem Luftsprung wären alle schockiert. Und doch kommt den minimalistischen, aber maximal konzentrierten Bewegungen des 41-Jährigen eine eigentümliche Schönheit zu.

Gleichzeitig liegt in dem Impuls, mit dem er das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks anstößt, keimartig die ganze Dynamik des Stücks. Und die Klanglichkeit des üppigen Tutti. Überlegen organisiert Hrusa die Gruppen von Grund auf. Auch, wenn alle spielen, wirkt der dichte Satz entzerrt, es eröffnen sich weite Räume zwischen den einzelnen Ebenen, sodass selbst die von Magdalena Hoffmann so zart geschlagene Harfe ohne Forcieren ins Ohr findet. Niemand hat bislang die Akustik der Isarphilharmonie geschickter für eine geradezu kathedralenartige Transparenz genutzt. Nur, wenn sich das Symphonieorchester dazu entschließen könnte, die ersten und zweiten Violinen einander gegenüber zu platzieren, wäre eine Steigerung möglich.

Die grassierende Perfektion versetzt eine Rezension in die luxuriöse Lage, nicht zu fragen, ob es besser, aber vielleicht, ob es anders gehen könnte. Wäre es möglich, die Farbigkeit der ersten Symphonie, aber auch die von Martinus Triptychon "Les fresques de Piero della Francesca", das auf die Bildwelt des Renaissance-Malers Bezug nimmt, noch sinnlicher auszureizen? Hřusa bevorzugt kompakt gebündelte Streicher und vornehm abgeschattete Bläser. Doch wahrscheinlich hat er mit seiner klassizistischen Haltung recht, weil Martinus Haltung die rauschhafte Exaltation vieler Zeitgenossen systematisch vermeidet. Hier ist alles reines Spiel und Formwahren.

Das Violinkonzert von Jean Sibelius hat Lisa Batiashvili vor einigen Jahren schon unter Alan Gilbert aufgeführt. Doch erst hier, innerhalb der pointiert trennscharfen Umgebung des BR-Symphonieorchesters kann sie ihre Kunst des entspannt atmenden Phrasierens voll ausbreiten. Feenhaft anmutig gleitet die Geigerin durch das immaterielle Pianissimo der Streicher, das Hřusa bei aller Ungreifbarkeit irgendwie trotzdem rhythmisch bewegt erscheinen lassen kann: Jakub, komm bald wieder.

Das Konzert kann man auf www.br-klassik.de ansehen und anhören