Kultur und Coronakrise

Beruhigung mit der Gießkanne


Das Residenztheater am Max-Joseph-Platz sehnt sich nach Publikum. Vor Pfingsten wird daraus aber kaum etwas werden.

Das Residenztheater am Max-Joseph-Platz sehnt sich nach Publikum. Vor Pfingsten wird daraus aber kaum etwas werden.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Markus Söder verspricht mehr Geld für die Kultur in der Corona-Krise und dämpft zugleich Hoffnungen auf mehr Veranstaltungen vor dem Frühsommer

Nach Markus Söders Satz "und jetzt noch schnell was zur Kultur", der Priorisierung von Biergärten, der Fußball-Bundesliga, dem Verweis auf Hartz IV für Künstler und weiteren innerhalb der Szene als Herabwürdigung wahrgenommenen Äußerungem war der große Kulturauftritt des Ministerpräsidenten überfällig. Den gab es gestern im Prinz-Carl-Palais in Anwesenheit des Kunstministers Bernd Sibler und der für Film zuständigen Digitalministerin Judith Gerlach. Dabei wurde eine gut gefüllte Gießkanne vorgestellt, mit deren Hilfe das Kulturleben nach Pfingsten wieder sprießen soll.

Bayern stockt sein Hilfsprogramm für die durch Veranstaltungsabsagen krisengeschüttelte Kulturbranche deutlich auf: 200 Millionen Euro statt wie bisher geplant 90 Millionen Euro werden nun bereitgestellt. Profitieren sollen nicht nur Künstler, sondern auch andere im Kulturbereich Tätige wie Techniker oder Maskenbildner, ohne die hinter den Kulissen nichts läuft.

Die Soforthilfe - bisher auf in der Künstlersozialkasse Versicherte begrenzt - wird auch auf diejenigen erweitert, die potenziell die Voraussetzungen auf eine Mitgliedschaft erfüllen würden. Außerdem werden auf Honorarbasis an den Staatstheatern Beschäftigte für ausgefallene Vorstellungen wenigstens teilweise ausbezahlt.

Kein Termin für die Öffnung der Kinos

Weitere Millionenhilfen gibt es für Spielstätten wie Theater und Kinos, für Musikschulen, Laienmusikgruppen und den Ausfall von Filmproduktionen. Der Ministerpräsident und der Wissenschaftsminister sprachen mit Betroffenen wie dem Lustspielhaus-Impresario Till Hofmann. Um die bestehenden Strukturen zu erhalten, werden 50 Millionen Euro für kleinere Theater und Kabarettbühnen sowie für inhabergeführte Kinos in Bayern zur Verfügung gestellt. In die Laienmusik sollen 10 Millionen Euro fließen.

Für die Öffnung der Kinos strebt Judith Gerlach eine bundesweit einheitliche Regelung an. "Wir brauchen einheitliche Starts", sagte sie. "Kinos brauchen attraktive Filme. Die Filme starten aber nur, wenn sie bundesweit gezeigt werden können." Sie halte darum "ein abgestimmtes Vorgehen" der Bundesländer "für absolut sinnvoll".

Nach ersten Schritten bei Museen und Bibliotheken setzt Söder im Veranstaltungsbereich auf "Besonnenheit und Vorsicht". "Wir glauben, dass wir Perspektiven für die Zeit nach Pfingsten entwickeln sollen", so der Ministerpräsident. Die Kulturminister der Länder arbeiten an einem Konzept für mögliche Öffnungen im Kunst- und Kulturbereich. Das soll der Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Mai vorgelegt werden. Erst dann seien konkretere Aussagen möglich.

Die Ungewißheiten bleiben

Die von privaten wie öffentlichen Veranstaltern beklagte Salamitaktik der scheibchenweisen Absage bleibt leider erhalten, ebenso die unklare Definition der bundesweit bis zum 31. August untersagten "Großveranstaltung". Bereits am 12. Mai wurde die Allgemeinverfügung verlängert, die alle Veranstaltungen zum 29. Mai ausschließt. Geprobt werden darf ab dem 18. Mai, kleinere Vorstellungs-Formate, Konzerte und Freiluftveranstaltungen könnten nach Pfingsten wieder erlaubt sein.

Dass sich die Kulturszene vernachlässigt fühlt, ist bei Söder angekommen. Er betonte, die "emotionale Seele Bayerns" erhalten zu wollen und ließ auch Verständnis für die Ungeduld und den Ärger über die Salamitaktik bei den Absagen durchblicken. Aber der Ministerpräsident warnt auch vor vorschnellen Lockerungen. Er wolle vorsichtig bleiben. Wenn von Open Air gesprochen werde, sei damit nicht "Rock im Park" gemeint. Veranstaltungen dieser Dimension könnten erst ganz zuletzt wieder erlaubt werden.

Auch im Herbst werden für Veranstaltungen strenge Regeln gelten. "Das Modell der Kirchen könnte da ein ganz gutes Modell sein", so Söder. Dort gelten in Innenräumen beispielsweise ein Mindestabstand von 1,5 Metern und eine Mundschutzpflicht. Ergänzt werden könnte dies durch eine "Personalisierung von Tickets", so Sibler. Damit wäre im Ansteckungsfall nachvollziehbar, wer die Veranstaltung sonst noch besucht habe.

Fraglich ist nur, wer dann überhaupt noch kommen will. Da machte auch Söder durchaus ein Fragezeichen. Sibler ist sich des Problems bewusst, dass Konzerte vor 300 Personen in einem Saal mit normalerweise dreifachem Fassungsvermögen für private Veranstalter unwirtschaftlich werden. Kabarett und Kleinkunst werden fast ganz unmöglich. Der Kunstminister machte aber auch hier Hoffnung auf weitere Hilfen.

Bürgerlicher Kulturbegriff

Söder wies eingangs Kritik an den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zurück. "Denjenigen, die der Auffassung sind, das wär vielleicht alles übertrieben, kann ich nur sagen: Es gibt Gegenden der Welt, da hören wir Nachrichten, dass es einen Rückfall geben könnte", sagte er in Richtung Corona-Kritiker und Hygiene-Demos. Es gebe nach wie vor Regionen, in denen "dramatische Zustände" herrschten. "Seien wir glücklich und dankbar", dass die Situation in Deutschland bislang vergleichsweise glimpflich abgelaufen sei. Die Wiederöffnung der Grenzen bedeute eine neue Freiheit, aber auch eine neue Herausforderung. Söder betonte auch, dass das "neu Erlernte" im Kultur- und Schulbereich nach dem Ende der Pandemie nicht aufgegeben werden solle. Er werde den Ausbau des schnellen Internets forcieren.

Die Landtags-Opposition begrüßt die Erhöhung der Mittel, sonst bleibt die Begeisterung eher verhalten. Markus Rinderspacher spricht von einer "Beruhigungspille für Kreative", die sich nach Einnahme eher als Aufputschmittel erweisen könnte. Der SPD-Kultursprecher vermisst klare Perspektiven für die Planbarkeit von Veranstaltungen.

Sanne Kurz von den Grünen beklagt den sehr bürgerlichen Kulturbegriff der Staatsregierung, deren Blick auf Veranstaltungen mit festen Sitzreihen beschränkt sei. Für die Popkultur und die Freie Szene gehe es ums Überleben. Es gäbe hier viele kreative Konzepte, die gegenwärtig leider immer noch nicht ausprobiert werden dürften. Und im Filmbereich werde wieder einmal mit der Gießkanne verteilt, anstatt nachhaltig zu födern und den wirklichen Bedarf zu ermitteln.

Auch unsere Zeitung erreicht öfter die Frage, wo die am 21. April vom Ministerpräsidenten angekündigte Soforthilfe beantragt werden könne. Kunstminister Bernd Sibler erklärte dazu gestern am Rande der Pressekonferenz, dass die erforderliche Software in der nächsten Woche fertiggestellt werde. Erst dann können die Anträge auf Soforthilfe gestellt werden

Ende der Konzertsaison

Die Münchner Philharmoniker und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks müssen die noch ausstehenden Abonnement-Konzerte für die Spielzeit 2019/20 absagen. Als Grund nennen beide Orchester die weiter bestehenden Verbote und Auflagen für den Proben- und Konzertbetrieb bei Orchestern und Chören.

Der BR wird bis zum Saisonende alle Optionen nutzen, seinen Ensembles im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben dennoch Auftrittsplattformen in seinen Programmen und in alternativen Veranstaltungs- und Musikvermittlungsformaten zu ermöglichen. Am 24. Mai wollen alle Klangkörper des Senders in einer gestreamten Gala zu Spenden zugunsten des Nothilfefonds der Deutschen Orchester-Stiftung auffordern.

Die Münchner Philharmoniker möchten im Fall staatlich ausgesprochener Lockerungsmaßnahmen kleinere Format veranstalten. Ob die beiden Konzerte von "Klassik am Odeonsplatz" ebenfalls abgesagt werden müssen oder verlegt werden können, befindet sich noch in der Prüfung.

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