Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Bernard Haitink dirigiert die Neunte von Beethoven


Die Solisten Sally Matthews, Gerhild Romberger, Mark Padmore und Gerald Finley im Gasteig.

Die Solisten Sally Matthews, Gerhild Romberger, Mark Padmore und Gerald Finley im Gasteig.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Bernard Haitink dirigiert Beethovens Neunte mit dem Chor und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Gasteig

Der Chor des Bayerischen Rundfunks zitiert online eine Geigerin mit den Worten, Bernard Haitink dränge einem seine Interpretation nicht auf. Eine treffende Charakterisierung: Der 90-Jährige war nie ein Orchesterdompteur, und sein entspannter Stil kommt den Bedürfnissen vieler Konzertbesucher entgegen, die das Werk hören wollen und nicht eine bestimmte Interpretation.

Bei Bruckners Musik funktioniert dieser Ansatz, bei Mahler bedingt. In diesen Tagen leitet Haitink eine Aufführung von Beethovens Neunter mit dem Chor und dem Symphonieorchester des BR im Gasteig. Hier wurden Grenzen offenkundig, die womöglich altersbedingt und allzumenschlich sind. Weshalb es falsch wäre, sie allzu gnädig zu beschweigen.

Bernard Haitink bei einer Probe.

Bernard Haitink bei einer Probe.

Biedermeierlich

Zu sagen, Haitink habe das Werk ohne jede Verbeugung vor historisierenden Interpretationsmoden für sich sprechen lassen, wird der Aufführung kaum gerecht - schon deshalb, weil die Bläser etwa beim Seitenthema des Kopfsatzes dynamische Vorschriften nach Gusto beachteten. Und wie auch immer man über Beethovens Metronom denken mag: Langsam gespielte schnelle Sätze wollte der Komponist keinesfalls.

Auch darüber könnte man sich aus guten künstlerischen Gründen hinwegsetzen. Haitink machte allerdings aus dem "Allegro ma non troppo" ein "Andante ma non tanto", ohne dass sich das Warum erschloss. Das Fugato wirkte buchstabiert, das Hauptthema kehrte in der Reprise konfliktfrei zurück. Was aber bleibt von diesem Symphoniesatz, wenn der Dirigent das Drama scheut? Beethovens Neunte ist keine Kleine Nachtmusik mit knalligen Pauken, sondern ein Bekenntniswerk, bei dem die Menschheitsverbrüderung des Finales erkämpft werden muss.

Unter Haitink tönte das alles sehr biedermeierlich und allzu freundlich. Zu allem Überfluss konnten auch Teile des Orchesters mit Haitinks Tempo und seinen Übergängen wenig anfangen. Das straff geleitete Scherzo und der ohne falsche Feierlichkeit recht nüchtern gespielte langsame Satz gelangen besser, und im Finale zündet der Feuerfunke immer.

Immerhin exzellente Sänger

Da ist es egal, wenn Celli und Kontrabässe die instrumentale Entwicklung des Themas ungewöhnlich laut und trivial beginnen, weil ohnehin jeder darauf wartet, bis der Chor aufsteht. Der prunkte mit runder Klangschönheit, die vier akustisch günstig hinter dem Orchester platzierten Luxus-Solisten Sally Matthews, Gerhild Romberger, Mark Padmore und Gerald Finley fanden zu einem selten harmonischen Ensemble zusammen.

Sensible Ohren durften sich davor noch über den arg lauten erstem Schlag der Großen Trommel vor dem Tenorsolo wundern. Sonst endete die Aufführung reibungslos. Das ist nicht viel, bei allem Respekt vor Haitink.

Einen Vorgeschmack gab bereits die kurz, schmerzlos und unausgewogen von Haitinks Assistenten abgewickelte Kantate "Meeresstille und Glückliche Fahrt". So etwas kann passieren. Und die mit stehendem Beifall akklamierte Aufführung der Neunten mag am Freitag und Samstag weiter reifen und zusammenwachsen. Haitink scheint jedenfalls seine Grenzen selbst zu ahnen: Er beginnt am Ende der Saison ein Sabbatical.

Noch einmal am Sa., 23. Februra, 19 Uhr. Ein Livestream der Aufführung am Freitag unter br-klassik.de