Salzburger Festspiele

AZ-Kritik: "Jedermann" mit Caroline Peters und Tobias Moretti


Tobias Moretti und Caroline Peters in "Jedermann".

Tobias Moretti und Caroline Peters in "Jedermann".

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Bei den Salzburger Festspielen überzeugt Michael Stürmingers Zeitgeis-"Jedermann" auch im dritten Jahr nicht wirklich. Und als neue Buhlschaft ist Caroline Peters eine Fehlbesetzung.

Eigentlich hätte man sich zur Hundertjahrfeier der Salzburger Festspiele eine Neuinszenierung des "Jedermann" gewünscht. Warum nicht eine Rekonstruktion der Regie-Urfassung von Festspiel-Mitbegründer Max Reinhardt aus den zwanziger Jahren in opulent-historisierenden Kostümen und ohne modernen Regie-Schnickschnack? Das originale Regiebuch ist schließlich erhalten geblieben. Und heben nicht auch andere Bühnen gelungene Vintage-Inszenierungen wieder aus dem Depot? Muss ja nicht für ewig sein. Vielleicht nur als Referenz an einen großen Meister.

Doch dieses politisch unkorrekte Wagnis wollte man offenbar nicht eingehen, wobei Corona bei den ursprünglichen Planungen für die Festspielsaison 2020 noch keine Rolle spielte. Stattdessen wurde die extrem nüchterne, völlig Pathosfreie Version von Michael Stürminger aus dem Jahr 2017 mit leicht modifiziertem Personal wiederaufgenommen.

Jedermanns Tischgesellschaft.

Jedermanns Tischgesellschaft.

Tod durch Gehirntumor?

Seit Volkstheater-Intendant und Oberammergau-Zeremonienmeister Christian Stückl im Jahre 2002 erstmals Hand anlegte an Reinhardts bis dato bei den Festspielen mehr oder weniger unverändert überliefertes Regiekonzept, wurde das Stück immer zeitgeistiger. Stürmingers Fassung ist die bislang radikalste.

Das Ende ist nahe: Tobias Moretti als Jedermann.

Das Ende ist nahe: Tobias Moretti als Jedermann.

Die berühmt-schaurigen Jedermann-Rufe platziert er statt zur Bankettszene gleich zu Beginn des "Mysterienspiels vom Sterben des reichen Mannes" und unterstreicht damit, dass sich der von Tobias Moretti verkörperte Jedermann schon vom ersten Vers an nicht auf der Höhe seiner doch eigentlich überbordenden Lebenskraft befindet. Offenbar leidet er an einem Gehirntumor, der ihn später in die Intensivstation zwingt.

Die Peters versucht sich an einer verunglückten Monroe-Parodie

Stürminger versucht dem metaphysischen Stück gewissermaßen wissenschaftlich beizukommen und raubt ihm damit die Fallhöhe. "Jedermanns" Turbo-Bekehrung angesichts des nahen Endes wirkt in dieser handwerklich im Großen und Ganzen gelungenen Deutung noch weniger glaubwürdig als in älteren Fassungen.

Caronine Peters als Buhlschaft.

Caronine Peters als Buhlschaft.

Während sich Moretti oft kaum verständlich und immer wieder cholerisch aufbrausend durch Hofmannsthals Knittelverse nuschelt, versucht sich Caroline Peters als neue "Buhlschaft" mit einer verunglückten Marylin Monroe-Parodie, zu der sie eine überdimensionale, pinke Geburtstagstorte erklimmt. Singen kann sie nicht, das steht nach dem Lied vom kalten Schnee fest und trotz Glitzerkleidern bewegt sie sich ausnehmend hölzern auf der Bühne. Der Schlussapplaus für die Paraderolle fiel ungewöhnlich knapp aus.

Plötzliches Gewitter

Am besten schlagen sich wieder Peter Lohmeyer als androgyner Tod und Edith Clever als bigotte Mutter des allen Glaubensdingen abholden Titelhelden, während Morettis Bruder Gregor Bloéb einen unauffälligen "Guten Gesell" und hinreichend komischen Teufel gibt.

Moretti tritt nächstes Jahr nicht mehr an und mit ihm steht und fällt Stürmingers Regiekonzept. Vielleicht gibt es ja 2021 eine Neuinszenierung, wobei das Jubiläumsjahr vorsichtshalber bis Ende der nächsten Saison verlängert wurde. Wie könnte die aussehen? Vielleicht erstmals mit einem schwulen Jedermann? Dann könnte man guten Gewissens auch gleich die Buhlschaft streichen.

Christoph Franken (Mammon) und Tobias Moretti (Jedermann).

Christoph Franken (Mammon) und Tobias Moretti (Jedermann).

Übrigens musste die Premiere der Wiederaufnahme in letzter Minute - auf dem Domplatz hatte der Einlass schon begonnen - wegen eines plötzlichen Gewitters ins Große Festspielhaus verlegt werden. Vor und im Theater bildeten sich Menschenpulks. Viele Besucher wurden ohne Ausweiskontrolle - die personalisierten Eintrittskarten sind heuer nur mit Identitätsnachweis gültig - einfach durchgewunken. Ein erster, etwas chaotischer Stresstest für das Hygienekonzept der Festspiele.