Kultur

Anziehend und sadistisch

Frauke Finsterwalders Film "Sisi & Ich"


Kaiserin Sisi (Susanne Wolff, rechts) mit ihrer Hofdame, Irma Gräfin Sztáray (Sandra Hüller).

Kaiserin Sisi (Susanne Wolff, rechts) mit ihrer Hofdame, Irma Gräfin Sztáray (Sandra Hüller).

Von Adrian Prechtel

"Ich werde schamlos ehrlich sein!", sagt die Kaiserin beim Vorstellungsgespräch - was durch den harten Tonfall aber nicht wie der Anfang eines besonderen Vertrauensverhältnisses wirkt, eher wie eine Drohung. Denn der Einstellung war bereits Sadistisches vorausgegangen: Die neue Hofdame Irma Gräfin Sztáray musste - übermüdet von der Anreise aus Wien und in ein Korsettkleid geschnürt - mit der Kaiserin einen Gewaltmarsch in der Hitze Korfus absolvieren und dann übers Stöckchen springen - bis zum Kollaps.

Zur Erfrischung gab es nur Abführtee, serviert vom einzigen im griechischen "Mövennest" zugelassenen und dauergedemütigten homosexuellen Diener (Stefan Kurt als Graf Berzeviczy). Denn das Gebot Elisabeths in ihrer griechischen Villa lautet: "Keine dicken Menschen und keine Männer".

Dann muss die abgelegte Vorgängerin bei der Neuen noch Taillenumfang und Gewicht messen. Und es ist schnell klar: Die Kaiserin (Susanne Wolff) ist mehr als spleenig. Aber Gräfin Sztáray (Sandra Hüller) gelingt es trotz größter Nervosität und Unruhe ihrer Herrin Elisabeth, Nähe und Vertrauen aufzubauen - anfangs aus Zwang, da als Alternative ein Leben als "alte" Ehefrau oder Nonne drohen.

Stattdessen wird Irma die beste Freundin, die sich leider in die Kaiserin verliebt. Und gekränkt wird sie einen Mordplan aushecken. Denn wie schreibt sie in ihr Tagebuch: "Es war in ihrer Gegenwart, als habe jemand alles Licht auf einen gerichtet. Und wenn sie das Licht wieder wegnahm, war es, als würde ein spitzes Glas ins Herz gerammt."

Regisseurin Frauke Finsterwalder hat als Grundlage die historischen Aufzeichnungen der Gräfin Sztáray verwendet, sich aber dann frei gemacht. So wirft der Film "Sisi & Ich" einen moderneren Blick auf die Kaiserin - das wird modisch und musikalisch deutlich, denn der Soundtrack greift auf Frauensongs zurück - von Portishead bis zur Velvet-Underground-Ikone Nico.

Natürlich ist es - wie gerade erst in Marie Kreutzers Film "Corsage" vor einem halben Jahr - befreiend, Sisi erneut nicht zuckersüß und entrückt schön zu erleben, sondern als reife Neurotikerin. Das erklärt Finsterwalder aus Traumata, höfischer Enge und nur halb ausgelebter Sexualität. Und als Sisi ihren Mann Franz Joseph (Marcus Schleinzer) doch einmal protokollarisch trifft und sie ihn mit ihrer Kompromisslosigkeit und Frechheit verrückt macht, vergewaltigt er sie im Ehebett.

Sowohl bei Marie Kreutzer ("Corsage") und Frauke Finsterwalder ("Sisi & Ich") ist die Figur der Kaiserin nicht mehr vor allem ein Opfer männlicher Strukturen. Sie muss dabei aber nicht mehr als frühe Ikone der Frauenemanzipation herhalten, sondern kann einen komplexen Charakter haben, der sie zu einer schillernden Persönlichkeit macht.

So erlebt man eine lesbisch-erotische, auch esoterische Frauengemeinschaft, die sich in Elisabeths griechischer Inselvilla gebildet hat. "Schämen tut sich nur die Bourgeoisie", sagt Sisi, frönt aber einem rigiden Körperkult und versteckt in der Öffentlichkeit ihr Gesicht hinter Schleiern und Fächern.

"Kinder sind der Fluch der Frau", erklärt sie: "Erst sieht man aus wie ein Walfisch und dann alt" und träumt sich - zunehmend todessehnsüchtig - mit Drogen weg.

Freiraum für die anderen gibt es hier nur durch Unterwerfung unter die Launen der Kaiserin. Ihr atemloses Gebot heißt: Langeweile ist tödlich. So dass besonders der offen homosexuelle Kaiserbruder, genannt Luzi-Wuzi (Georg Friedrich), als Unterhaltungsspiel-Gast immer willkommen ist. "Ohne Dich und Deine Schönheit und ohne mich und meine Skandale ist Wien zum Provinznest geworden", raunt der exzentrische Lebemann süffisant seiner Schwägerin zu und lässt nachts im Garten der Villa Achilleion vom Hausstaat die frivole Sexverweigerungs-Komödie "Lysistrata" aufführen.

Als Kontrast werden steife Soiréen der Hocharistokratie gezeigt, bei denen sich die Kaiserin - konsequent die Gastgeber brüskierend - vertreten lässt. Aber die Unterhaltungen mit ihren subtil eingeflochtenen Boshaftigkeiten haben durchaus unterhaltenden Reiz.

Das harmonische Gegenspiel der beiden Schauspielerinnen Wolff und Hüller funktioniert perfekt, weil sie sich auch als Gefährtinnen nicht zu ähnlich werden. Dramaturgisch verfällt der Film nur ein bisschen zu stark ins Episodische. Und dass Elisabeths Tod 1898 am Genfer See durch das Attentat eines Anarchisten unnötig uminterpretiert wird, kann dem Film seinen schönen, intelligenten Reiz nicht mehr nehmen.

Kino: Arena, City Atelier, Leopold, Neues Maxim, Neues Rex, Studio Isabella; Regie: Frauke Finsterwalder (D, A, 132 Min.)