[Frei]schreiben!

Unruhige Gedanken


Vroni Murr

Vroni Murr

Von Redaktion idowa

Ich versteh' mich nicht. Ich müsste doch eigentlich so honigkuchenpferd-mäßig drauf sein. Ich hab' mein erstes Semester gemeistert und eineinhalb Monate frei. Ich sollte mehrfache Partykönigin werden und den Eber rauslassen und mich bis nachmittags um drei im Bett wälzen. Aber ich tu' es nicht. Nein, das ist es nicht, was ich will. Ein - ungelogen - kniehoher Bücherstapel mit den verführerischsten Titeln steht in meinem Zimmer und wartet allnächtlich darauf, mich in fremde Welten zu tragen. Aber ich lass' ihn nicht. Ich könnte auch all den Freunden auf die Nerven gehen, die in Ansbach eben selten aufzufinden sind. Warum tu' ich das nicht einfach alles? Ich bin von einer Lustlosigkeit erfüllt, dass es richtig nervig ist. Ich geh' mir selber auf die Nerven. Woher kommt das? Gibt es einen Karius und einen Baktus, die auch das Gemüt anfressen?

Ich lasse mich, einem Sack voll Zucker gleich, auf unsere orange Couch plumpsen und starre auf den Fleck Sonne, der den Holzboden hellgelb färbt. Wenn ich all das nicht machen will - was will ich dann? Raus. Ich will raus! Aber nicht einfach aus dem Haus raus auf die Straße. Ich will weg! Ich will meinen Freund in ein Auto packen und weit, weit, weit, weit, weit ... einfach in die Welt rausfahren. Alles erleben und alles seh'n. "Und das werden wir auch", hat er gesagt. Nach seinem Abi, mit dessen Übungen er sich seit Wochen an den Schreibtisch fesselt. Irgendwann. Wir haben ja schließlich noch so viel Zeit. Ein ganzes Leben. Vielleicht mehr. Dann hab' ich eben Geduld. Das müsste ich sowieso lernen, hat er gesagt. Dann fahre ich eben für den Anfang mit dem Radl rüber zum Edeka und kauf mir Schokokekse. Ist auch ein Abenteuer - fürs Erste.