Freistunde

Diagnose Morbus Crohn: Wie die 18-jährige Jessica Hahn mit der Darmkrankheit lebt


Jessica Hahn ist an Morbus Crohn erkrankt. "Die Krankheit hat mein komplettes Leben auf den Kopf gestellt", sagt sie.(Foto: Voltz)

Jessica Hahn ist an Morbus Crohn erkrankt. "Die Krankheit hat mein komplettes Leben auf den Kopf gestellt", sagt sie.(Foto: Voltz)

Jessicas blonde Haare sind zu Dread-Locks gefilzt. An ihrer Nase trägt sie ein Piercing. Kurz vor der Armbeuge ihres rechten Armes hat sie ein Tattoo. "Stay Strong" steht da. Auf Deutsch heißt das "Bleib stark". Zwei Worte, die die 18-jährige Straubingerin in ihrer Lebensweise befolgt - auch, wenn ihre Kräfte im vergangenen Jahr hart auf die Probe gestellt wurden. Denn im September 2014 erhielt sie eine niederschmetternde Diagnose: Morbus Crohn.

Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Darmkrankheit. "Sie geht nicht mehr weg, ist also nicht heilbar", erklärt Jessica. Ihr Darm ist wegen der Krankheit ständig entzündet. Viele Sachen kann die 18-Jährige nicht mehr essen, weil sie ihren Darm zu sehr reizen würden. "Dazu gehören vor allem fettige, panierte Sachen", zählt sie auf.

Stichtag für Jessicas Krankheit ist der 22. September 2014, zwei Tage nach ihrem 18. Geburtstag. Die Straubingerin plagen starke Bauchschmerzen. Sie liegt deshalb abends zuhause auf der Couch. Weil die Schmerzen mit der Zeit immer unerträglicher werden, holen Jessicas Eltern einen Krankenwagen. Der Blinddarm sei durchgebrochen, heißt es nach dem Abtasten. Die 18-Jährige wird ins Krankenhaus eingeliefert. Es kommt zu einer Not-Operation. Zwei Tage später kommt die Diagnose. Die Ärzte stellen fest: Jessica ist an Morbus Crohn erkrankt. Bei einer weiteren Not-Operation werden ihr 30 Zentimeter Dünndarm und fünf Zentimeter Dickdarm entfernt. Nach der OP liegt das Mädchen für zwei Tage auf der Intensiv-Station.

An den folgenden Tagen geht es Jessica besser. Freundinnen besuchen sie im Krankenhaus. "Davon habe ich leider nicht viel mitbekommen, weil ich so viele Schmerzmittel nehmen musste", erinnert sie sich. Auch Jessicas Familie weicht an keinem Tag von ihrer Seite. "Dafür bin ich ihnen allen sehr dankbar", sagt sie. Anfang Oktober darf die Jugendliche wieder nach Hause. Doch in der ersten Nacht daheim holt sie ihre Krankheit wieder ein. Jessicas Narbe von den OPs platzt auf. Wieder muss die 18-Jährige ins Krankenhaus. Dieses Mal stellen die Ärzte einen Krankenhauskeim fest. "Ich wurde erneut operiert. In meinem Bauch hat sich sehr viel Eiter gesammelt, der ausgepumpt werden musste", erzählt Jessica.

Dann kommt sie für sechs Tage in Quarantäne. Ihre Eltern dürfen sie nur in Schutzkleidung mit Mundschutz und Haube besuchen. "Sie haben mich zwar gedrückt und umarmt, aber ich habe ihre Nähe nicht richtig gespürt. Es hat sich so angefühlt, als wäre ich abstoßend", blickt sie zurück. Obwohl Jessica das Krankenhaus nach einigen Tagen verlassen darf, muss sie immer wieder dorthin zurück. "Jeden zweiten Tag musste ich hin, weil sie eine besondere Watte in meine Wunde am Bauch stopfen mussten", berichtet sie. Die Watte heilt die Wunde von innen nach außen. Nähen konnten die Ärzte Jessica nicht, weil sie sonst den Krankenhauskeim nicht losgeworden wäre. In dieser Zeit darf Jessica keinen Kontakt zu Säuglingen oder älteren Menschen haben. Sollten diese sich anstecken, könnten sie sterben. Auch in die Arbeit kann die 18-Jährige nicht gehen. Sie macht eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin. Das Schlimmste in dieser Zeit: "Meine Cousine hat im Oktober ein Baby bekommen und ich durfte ihm lange Zeit nicht nahe kommen", erzählt Jessica. Nach Weihnachten 2014 ging sie für mehrere Wochen auf Reha. "Nach insgesamt 140 Tagen - das hab' ich mir mal ausgerechnet - durfte ich endlich wieder in die Arbeit gehen und es kehrte etwas Normalität in mein Leben zurück."

Eine lange Narbe unter dem Bauchnabel

Was Jessica an ihre Zeit im Krankenhaus erinnert, ist eine große Narbe, die unterhalb ihres Bauchnabels horizontal verläuft und etwa einen Zeigefinger breit ist. Außerdem nimmt sie eine neue Lebenseinstellung mit: "Morbus Crohn tritt in Schüben auf. Es gibt schlechte und gute Zeiten. Nach all diesen Erlebnissen koste ich die guten Zeiten viel intensiver aus." Sie hat deswegen auch mehr Mut, Dinge auszuprobieren, und steht mehr zu sich selbst. So hat sie sich zum Beispiel ihre Dread-Locks machen lassen. "Schließlich lebt jeder nur einmal und ich finde, man sollte ausprobieren, was man ausprobieren will", betont die Straubingerin.


Geheilt sein wird Jessica nie. Der Morbus Crohn schränkt sie weiterhin in ihrem Leben ein. Oft fehlt Jessica die Kraft, etwas zu unternehmen. "Manchmal will ich mit Freunden abends weggehen, aber mein Körper sagt einfach ,Nein' dazu", gibt sie zu. Zum Glück habe sie Freunde, die immer Rücksicht auf sie nehmen. Und wenn es Jessica mal richtig schlecht geht, stehen ihr Freunde und Familie zur Seite. "Leider gibt es oft auch Menschen, die nicht verstehen, was es heißt, Morbus Crohn zu haben", bedauert sie. Das liegt daran, dass Morbus-Crohn-Erkrankte viel öfter auf die Toilette müssen. "Das finden viele seltsam."

Solchen Leuten ist die 18-Jährige aber noch nicht begegnet. "Weil ich so oft auf die Toilette muss, achte ich immer darauf, dass egal, wohin ich gehe, Toiletten sind", sagt die 18-Jährige und lacht. Ihre Arbeitskollegen und ihre Chefs verstehen Jessica und helfen ihr, so gut es geht. "Weil ich in der Schule viel verpasst habe, wiederhole ich das dritte Ausbildungsjahr. Dabei unterstützen sie mich."

Leider musste sie ein Hobby wegen der unheilbaren Darmkrankheit aufgeben. "Ich war fünf Jahre lang Cheerleader. Leider kann ich das nicht mehr ausüben, weil ich nicht mehr als zehn Kilo heben darf", bedauert sie.

Jessica blickt zuversichtlich in ihre Zukunft. Sie will sich nicht nach ihrer Krankheit richten. "Der Crohn muss sich nach mir richten", betont sie. "Stay Strong" - "Bleib stark!" Diesen zwei Worten auf ihrem Arm bleibt die 18-Jährige treu. Sie ist eine Kämpferin.