Interview

"Australier krempeln die Ärmel hoch"


Kängurus sind sehr zutraulich. Lisa ist seit September 2010 in Australien.

Kängurus sind sehr zutraulich. Lisa ist seit September 2010 in Australien.

Von Redaktion idowa

Nach mehr als zehn Jahren Trockenheit hat Australien nun die schlimmste Überschwemmung seit 50 Jahren erreicht. Lisa Niedermayer ist seit September dort. Eigentlich um das Land kennen zu lernen - finanziert durch Gelegenheitsjobs. Mittlerweile ist auch sie auf der Flucht vor den Wassermassen. Über Facebook konnten wir Lisa erreichen. Im Chat erzählt sie von ihrem Trip, von der Flut und wie die Menschen damit umgehen.


Lisa, hättest du gedacht, dass du neben Sonnencreme auch an einen Regenschirm brauchen wirst?
Ehrlich gesagt nicht. Meine Regenjacke und den Regenschirm hab' ich zu Hause gelassen. Dass ich in Australien sein werde, wenn der Sommer mit der schlimmsten Regenzeit seit 1974 eintritt, konnte ich nicht ahnen. Mittlerweile habe ich mir schon den zweiten Regenschirm gekauft.

Wo warst du bisher überall?
Ich startete Anfang Oktober in Melbourne. Dort hab ich mir mit einer Freundin ein Auto gemietet und wir sind zusammen die Great Ocean Road, zu den "Twelve Apostles", etwa 60 Meter hohe Kalksteinfelsen zwischen Princetown und Port Campbell, bis nach Adelaide gefahren. Dann ging die Reise durch das Outback bis zum berühmten Ayers Rock, den Kata Tjutas, einer Gruppe von 36 Inselbergen in Zentralaustralien und zum Kings Canyon. Anschließend fuhren wir nach Cairns. Dort wohnte ich etwa sechs Wochen in einer WG. Ich hatte Jobs in einem Büro, danach auf einer Mangofarm und zuletzt auf einer Bananenfarm. Aufgrund der Jobsituation reise ich seitdem alleine durchs Land. Nach meiner letzten Arbeit ging es entlang der Ostküste Richtung Süden. Von Mackay aus flog ich nach Sydney und verbrachte dort Silvester.

Silvester in Sydney? War das ein unvergessliches Erlebnis?
"New Year" in Sydney zu feiern, war einfach gigantisch. Es waren tausende Touristen hier und alle wollten den bestmöglichen Platz ergattern, um das Feuerwerk hautnah miterleben zu können. Das war auch der Grund, warum ich mit meinen Freunden schon um 10 Uhr in der kilometerlangen Menschenschlange stand, um im Macquarie Park ein schönes Plätzchen zu bekommen. Dort mussten wir dann zwölf Stunden warten, aber die Zeit verging ziemlich schnell. Um 21 Uhr gab es ein kleineres Feuerwerk für die Familien und um Mitternacht ging's dann richtig los! Es war atemberaubend. Das Feuerwerk wurde direkt über der Habour Bridge abgeschossen.

Laut Facebook warst du bis 12. Januar in Brisbane, einer Stadt im Hochwassergebiet. Wie hast du das Jahrhundert-Hochwasser erlebt?
Am 12. Januar war ich Gott sei Dank nicht mehr in Brisbane. Ich bin am 11. Januar, dem letztmöglichen Tag, mit dem Bus aus Brisbane Richtung Süden "geflüchtet". Teilweise waren die Straßen schon überflutet.

Wie reagieren die Menschen dort auf die Flut?
Die Einheimischen haben Sandsäcke befüllt und aufgeschichtet. Außerdem evakuierten sie etwa 10 000 Häuser und schlossen Tage vor der Flut fast alle Geschäfte und Einkaufszentren. Im Stadtzentrum hatte nur noch ein Supermarkt offen und dort waren viele Regale leergeräumt.

Man liest von Krokodil-Alarm und Giftschlangen. In einigen Teilen Australiens sollen sogar Haie durch die Städte schwimmen. Musstest du auch schon mit solchen Tieren Bekanntschaft machen?
Dass sich giftige Schlangen im Hochwasser befinden und in die noch trockenen Häuser flüchten, kann ich zu 100 Prozent bestätigen. Von Krokodilen und Haien habe ich noch nichts gehört. Gott sei Dank hab' ich mit Tieren dieser Art nur im Zoo Bekanntschaft gemacht.

Das Hochwasser bringt neben der Lebensgefahr auch wirtschaftliche Schäden mit sich - für Hausbesitzer, Farmer oder auch Geschäftsleute. Ganze Ernten wurden vernichtet, Häfen geschlossen, und einige Kohlebergwerke überflutet. Wie gehen die Australier mit dieser deprimierenden Situation um?
Aufgeben ist nicht die Mentalität der Australier. Sie krempeln die Ärmel hoch und bauen alles wieder auf. Außerdem versuchen sie, bessere Vorsichtsmaßnahmen zu entwickeln, um sich somit besser vor der nächsten möglichen Flut zu schützen.

Und die Versorgung? Könnten die Lebensmittel knapp werden?
Das kommt ganz drauf an. Von der Lebensmittelknappheit sind vor allem die kleineren Supermärkte betroffen. Dort sind viele Regale leer, da die Transportwege und Zufahrtsstraßen in vielen Teilen Australiens überflutet waren. Aber in größeren Stadten merkt man davon nichts. Hungern müssen die Australier jedoch nicht!

Work amp; Travel in Australien: Hat sich schon durch die Flut ein Jobangebot ergeben?

Eher im Gegenteil. Vor dem Hochwasser war es nicht schwer, als Feldarbeiter eingestellt zu werden. Aber durch die Flut wurden viele Felder und Farmen zerstört. Das erschwert jetzt wiederum die Jobsuche.

Wo geht' s als nächstes hin - auf der Flucht vor der Flut?
Im Moment bin ich in Sydney. Hier befinde ich mich erstmal im "Trocknen". Es geht immer weiter Richtung Süden. Als nächstes fahre ich in die Hauptstadt Australiens, Canberra. Mein letzter Stop wird Melbourne sein. Dort verbringe beziehungsweise genieße ich die restliche Zeit meines Australienaufenthalts. Von dort aus geht es wieder zurück ins gute, alte Deutschland.

Das Interview führte Tanja Pfeffer

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Lisa konnte beim Schnorcheln diese schöne australische Schildkröte streicheln.

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Auf dem Weg nach Fraser Island war der Highway gänzlich überflutet. An diesem Auto kam Lisa mit dem Bus vorbei. Mit vereinten Kräften zogen sie das Auto aus dem Schlamm. Foto: Niedermayer

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Australien erlebt derzeit das schlimmste Hochwasser seit 50 Jahren. Foto: Niedermayer