Mehr alternativ, verstehst?

Andrea Limmer reist ins Jahr 1988 – zur Entstehung des Münchner Tollwoods


Andrea Limmer reist in ihrem Blog durch die Zeit - heute zum ersten Tollwood-Festival in München.

Andrea Limmer reist in ihrem Blog durch die Zeit - heute zum ersten Tollwood-Festival in München.

Von Redaktion idowa

Der Juni ist wahrscheinlich ein guter Monat, um neue Ideen zu streuen oder anderen Menschen andere Wege sowie Lebensweisen zu zeigen. Also wenn er sich denn normal und sonnig verhält, der Juni. Man rutscht dann angewärmt aus dem Wonnemonat in diesen Vorsommermonat und an die Isar oder den Stammweiher, wo man schaut, sich ein Eis kauft, schaut, schaut und den lieben Gott einen guten Mann sein lässt. Da lässt die Seele Licht herein wie ein Seidentuch am Strand und die Scheuklappen lüften sich leicht.

Demgemäß ist der Juni ein guter Monat, um das Sommer-Tollwood zu veranstalten. Dieses Festival in München ist schließlich "voll alternativ und so", verteilt auf circa 30 000 Quadratmetern. Anfangs hat man in gutbürgerlichen Haushalten auf dem Festival bloß dreadlockige Rastamänner beim Konsum von weichen Drogen vermutet. Dieses Klischee ist längst aus den Köpfen verschwunden. Unter anderem, weil sich das Festival ziemlich massentauglich präsentiert, dass esnun ja: der Masse taugt.

Jedes Jahr flanieren rund 900 000 Menschen über das Festivalgelände (beim Winter-Tollwood um die 600 000), shoppen, essen und stöbern sich durch Allerlei aus aller Welt. Freilich findet man auf dem Festival der Alternativen mehr als den materiellen Konsum. Die Tollwood GmbH bietet uns bayerische und weltliche Musik, Theater, Kleinkunst, Kunsthandwerk, Performance und das Umweltbewusstsein. Letzteres bei allen Menschen zu schärfen, ist ein erklärtes Ziel des Festivals. Mit dem Deutschen Tierschutzbund setzt sich das Tollwood gegen die Massentierhaltung ein. Und freilich pappen auf den meisten angebotenen Speisen sowie Getränken die Bio-Markerl. Dadurch lernt ein jeder Tollwooder am eigenen Leib, dass Bio weder geschmacklos noch langweilig bedeutet.

Das erste Tollwood wurde 1988 veranstaltet. Damals schon im Olympiapark Süd, allerdings noch im Juli und lediglich vier Tage statt 25 Tage lang. Damals sind vor allem lokale Künstler wie die "Biermösl Blosn" aufgetreten. Die internationalen Musikgrößen bereichern seit 1991 das Festival. Uwe Kleinschmidt, Initiator des Festivals, antwortete auf die Frage nach einer möglichen politischen Botschaft, die sich zwischen den Zelten und Imbissständen verstecken könnte: "Nein. Dieses Festival ist einfach kulturell notwendig. Es ist ein Beispiel dafür, dass Alternativen möglich sind." Und schon 1989 hat man sich das Motto "Ökologie zum Anfassen" auf die Fahnen geschrieben. Allerdings sind in den vergangenen Jahren viele kritische Stimmen laut geworden, die hinter dem Tollwood nur mehr bloßen Kommerz und Konsum sehen.

Eines kann ich jedoch mit Sicherheit sagen: Ohne das Tollwood hätte so mancher nie ein Räucherstäbchen-Set, einen vegetarischen Biofladen mit Hanfsamen oder einen Buddha gekauft. Apropos Fladen: Ich durfte einmal beobachten, dass eine Frau um die 50 Jahre einen Hanffladen gegessen hat und dabei immer wieder lachend zu ihrer Freundin gesagt hat: "Ich spür's schon. Gleich flieg' ich. Huiii!" Das Tollwood ist eben "voll alternativ und so" ganz gefahrlos.