Bayern

Stadtgeschichte zum Mitnehmen: Das legendäre Odeon

Münchens berühmtester Konzertsaal: Vor allem die Akustik muss eine Wucht gewesen sein.


1946: das schwer beschädigte Odeon.

1946: das schwer beschädigte Odeon.

Von Thomas Müller

Odeon" - in der Antike war das ein Gebäude für musikalische und rhetorische Aufführungen. Und denkt man in München ans Odeon - so keimen, zum Teil noch selbst erlebte und viele mündlich wie schriftlich überlieferte Erinnerungen hoch an Münchens wohl bekanntesten und legendärsten Konzertsaal. Glaubt man den Überlieferungen, muss die Akustik gigantisch gut gewesen sein.

König Luwig I. hatte das Odeon bei seinem Leibarchitekten Leo von Klenze in Auftrag gegeben - was nicht ganz ohne Planungsfehler ablief (siehe unten). Mei, aber auch Genies sind manchmal fehlbar.

Die Außengestalt war gesetzt: Es sollte sich harmonisch in die Platzkomposition am Odeonsplatz einfügen und als Pendant zum Leuchtenberg-Palais angelegt werden.

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Der trist wirkende Innenhof vom Odeon im Jahr 1971 ...Foto: ZI

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1859: eine opulente Schillerfeier.

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"Das Münchner Odeon. Eingang für Fußgänger": eine Karikatur aus der Zeitschrift "Fliegende Blätter" von 1846. Durch den Planungsfehler eines fehlenden Eingangs für Fußgänger mussten sich Gäste, Kutschen und Pferde gemeinsam durch die engen Portale zwängen. Klenze reagierte, ließ zwei Fenster zu eigenständigen Fußgängereingängen umbauen.

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Das königliche Odeon: der Innenraum nach einem Umbau 1905/1906.

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Der trist wirkende Innenhof vom Odeon im Jahr 1971. Seit 2007 immerhin wieder mit Dach.

Die Herausforderung des Entwurfes war, so schreibt Maya-Sophie Lutz für die App "Munich Art to Go", dass das Konzerthaus - trotz der anderen Nutzung als Konzerthaus - Größe, Form und Fassade eines adeligen Wohnpalastes übernehmen musste.

Herzstück war der festliche, von Säulen umgebene Saal für rund 1400 Besucher. Büsten berühmter Komponisten in eichenlaub-umkränzten Nischen rahmten das Halbrund der Bühne. Dazu kamen Deckenfresken von Kunstakademie-Leiter Peter von Cornelius und seinen Schülern Wilhelm Kaulbach, Adam Eberle und Hermann Anschütz, große Lüster und Wandleuchter mit Öllampen. 1854/56 wurde auf Gas, 1888 auf elektrisches Licht umgestellt.

Da das Odeon als Konzert- und Ballsaal sowie als Begegnungsort (auch für König und Volk) geplant war, gab es - anders als im Logentheater - bis 1905/06 keine feste Bestuhlung. Stattdessen wurden Hocker, Sessel und teils Spieltische frei aufgestellt.

Kulturzeitschriften priesen das Odeon als "Kunsttempel", "Euterpens (Muse der Musik) glänzende(n) Tempel" und "Versammlungsort des gebildeten und eleganten Publikums".

Weithin gelobt wurde die ausgezeichnete Akustik (vermutlich dank Schallstreuung an den Säulen): "Gerundet und voll, deutlich in allen ihren Nuancen berührten die Harmonien das Ohr des Zuhörers", schrieb etwa die Allgemeine musikalische Zeitung 1828.

Neben klassischer Musik gab's hier auch Unterhaltungsmusik, repräsentative Festlichkeiten (Maskenbälle, Künstlerfeste, Versammlungen) und Konzerte.

Die Liste der Komponisten und Musiker, die hier gewirkt haben, liest sich wie das Who's who: Clara Schumann, Johannes Brahms, Camille Saint-Saëns, Richard Strauss, Max Reger, Carl Orff und die Comedian Harmonists.

Dann aber war's auf einen Schlag vorbei. 1943/44 wurde das Odeon schwer beschädigt. Ein Wiederaufbau wäre zwar durchaus denkbar gewesen - der Freistaat aber hatte andere Pläne. Und wollte, dass das Innenministerium hier künftig residiert.

Der Münchner Architekt Josef Wiedemann baute das Odeon 1951/52 wieder auf, Fragmente der historischen Bausubstanz blieben erhalten, die erhaltenen Klenze-Fassaden wurden restauriert und originalgetreu rekonstruiert.

Der legendäre Konzertsaal wurde zu einem ebenerdigen, offenen Innenhof degradiert. Immerhin: Seit 2007 überspannt ihn eine Glas-Stahl-Konstruktion. Der Hof ist also wieder eine Art von Saal - aber leider viel zu selten öffentlich zugänglich.

In einer neuen AZ-Serie stellen wir einige dieser kunst- und kulturhistorischen Stadtrundgänge vor - hier etwa zur Klosterkirche St. Anna. Im Internet: municharttogo.zikg.eu/oder im App-Store: MunichArtToGoi