Bayern

Runter vom Radweg: Strafzettel wegen Blitz-Eis in München

Am Freitagmorgen ist es auf den Straßen gefährlich wie lange nicht. Viele Münchner müssen ihre Wege umplanen. Als Radlerin kann man da durchaus auch mal Probleme mit der Polizei bekommen.


Sophie mit ihrem Sohn am Freitagnachmittag auf der Implerstraße - hier war der Radweg am Morgen noch spiegelglatt gewesen.

Sophie mit ihrem Sohn am Freitagnachmittag auf der Implerstraße - hier war der Radweg am Morgen noch spiegelglatt gewesen.

Von Felix Müller, Ralph Hub

München - Sophie geht am Freitagmorgen nicht aus dem Haus. Sie schlittert. Bei ihr daheim in Thalkirchen ist es extrem rutschig. Die 35-Jährige steigt mit ihrem zweijährigen Sohn im Kindersitz aufs Rad und fährt vorsichtig los - auf Radwegen.

"Ich bin sehr langsam gefahren", erzählt sie der AZ. Am U-Bahnhof Brudermühlstraße rutscht ihr im Stehen an der Ampel ihr Rad um, der Sohn weint. Sophie stellt fest, dass der Autoverkehr ganz flüssig fließt - und entscheidet sich, auf der Implerstraße lieber auf die Fahrbahn zu wechseln. Kein Autofahrer habe gehupt, erzählt sie der AZ, keiner geschimpft - offenbar versteht man an diesem Morgen schnell, dass es für Radler auf den Radwegen gefährlich ist.

Hier werden am Freitag Streukiesel auf einem Gehweg verteilt.

Hier werden am Freitag Streukiesel auf einem Gehweg verteilt.

Auf Höhe der Valleystraße fährt sie an einem Polizeiauto vorbei, das sie nicht näher beachtet. "Ich war mir ja keines Unrechts bewusst", sagt sie. Vor der Implerstraße überquert sie auf der Fußgängerampel bei Grün die Straße, steigt aber nicht ab, sondern fährt in Schrittgeschwindigkeit weiter.

Kurz danach wird sie auf der Alramstraße von der Polizeistreife gestoppt - und bekommt Strafzettel über insgesamt 150 Euro. Einen wegen der Fahrt über die Fußgängerampel, so erzählt sie es - und einen wegen der Fahrt auf der Straße.

Das nämlich ist verboten, wenn auch ein Radweg benutzt werden kann. Doch kann er das bei Glatteis wie Freitagfrüh in München, wo die Radwege nicht gesalzen werden? Viele waren da wohl anderer Meinung. Die Mutter aus Thalkirchen sagt, sie habe viele Schüler gesehen, die ihr Rad geschoben hätten.

Die Polizistin aber habe ihr Verantwortungslosigkeit vorgeworfen, gesagt, die Radwege seien gut gestreut - und wenn sie langsam fahren müsse, müsse sie eben früher aufstehen.

Die Polizei erklärte am Freitag auf AZ-Anfrage: "Radwege müssen benutzt werden, wenn sie laut Straßenverkehrsordnung (StVO) entsprechend gekennzeichnet sind. In der StVO steht aber auch klar: Die Benutzungspflicht bestehe ,nur dann nicht, wenn die Benutzung der Radwege aufgrund deren Zustands objektiv nicht möglich bzw. unzumutbar ist (z. B. fehlender Winterdienst)'".

Andreas Schön vom Radlerverein ADFC kann über den Vorfall nur den Kopf schütteln. "Da kennen die Beamten im Einsatz wohl die Regeln nicht", sagte er am Freitag im Gespräch mit der AZ. Natürlich dürfe man an Tagen wie diesem Freitag auch auf der Straße fahren. Sein Verband fordert schon lange, dass die Stadt salzen soll. "Von Gesetzes wegen müssten Radwege ohnehin wie Straßen behandelt werden", sagt er. So wie es heute sei, bliebe einem oft nur, die Straße zu nehmen. "Auf Seitenstraßen ausweichen ist ja auch keine Option, dort ist es ja oft noch schlimmer."

Im Rathaus ist das Thema schon angekommen. Zuletzt hatte die Stadtrats-CSU im Dezember beantragt, dass man auf Radwegen Salz streuen solle. "Haupt-Radlrouten müssen auch im Winter sicher befahrbar sein", sagte Stadtratsfraktionschef Manuel Pretzl damals. Der Radweg an der Implerstraße wäre da sicher dabei. Und die Mutter aus Thalkirchen könnte wieder sicher zur Kita radeln. Ohne sich die Fahrbahn mit Autos zu teilen. Und ohne in Konflikt mit der Polizei zu geraten.

Glatteis in der Stadt: Ganz München rutscht

Spiegelglatt war es am Freitagmorgen in und rund um München. Feuerwehr und Polizei registrierten etliche Stürze von Radlern und Fußgängern. Vor allem die Rad- und Fußwege im Stadtgebiet waren am Morgen vielerorts kaum oder nicht gestreut. Sie hatten sich in eisglatte Rutschbahnen verwandelt. Viele Fußgänger und Radler rappelten sich nach Stürzen wieder auf, ohne Rettungsdienst oder Polizei zu verständigen. Mancher ging direkt zum Arzt oder ins Krankenhaus. Entsprechend ging es in den Praxen und Notaufnahmen zu. Die Feuerwehr meldete am Freitag vermehrt Einsätze wegen gestürzter Personen, ohne aber konkrete Zahlen zu nennen. Glatte Straßen gab es vor allem am Stadtrand. Es blieb aber zumeist bei Blechschäden. Häufiger krachte es laut Polizei an den Autobahnanschlussstellen. Betroffen waren besonders der Osten und der Westen. Bei Unterhaching auf der Autobahn A 995 drehte sich am Freitagmorgen ein Auto und krachte in die Leitplanke.