Jahresrückblick

Die Gerichtsprozesse des Jahres in Ostbayern


In Bayern sind 2022 spektakuläre Fälle vor Gericht verhandelt worden (Symbolbild).

In Bayern sind 2022 spektakuläre Fälle vor Gericht verhandelt worden (Symbolbild). 

Von Susanne Pritscher

Ein 56-facher Mordversuch in Simbach am Inn, eine Messerattacke in einem ICE nahe Regensburg – und ein Mordfall, der neu aufgerollt werden musste: Welche spektakulären Fälle 2022 in Bayern vor Gericht landeten. Ein juristischer Jahresrückblick.

Nachdem ein Passauer Gericht ihn 2017 bereits wegen Totschlags zu zwölf Jahren Haft verurteilt hat, steht Dominik R. seit April wieder vor Gericht - dieses Mal in Deggendorf. Nun sagt das Gericht: Es war doch Mord. Die Strafe: lebenslang.

Filmriss oder Fremdenhass?

Nach einer durchzechten Nacht im Oktober 2021 will ein Mann ein Asylbewerberheim in Simbach am Inn anzünden. Ein Jahr später muss sich der 42-Jährige wegen 56-Mordversuchs und Brandstiftung in Landshut vor Gericht verantworten.

Der „ICE-Messerstecher“

Dschihadist oder psychisch krank - oder beides? Seit 4. November steht ein Mann in München vor Gericht, der ein Jahr zuvor in einem ICE von Passau nach Nürnberg mehrere Menschen mit einem Messer angegriffen und zum Teil schwer verletzt haben soll. Die Bundesanwaltschaft wirft Abdalrahman A. unter anderem versuchten Mord vor. Im Dezember wird er zu 14 Jahren Haft verurteilt.

Ein Chamer Pfleger auf Abwegen

Ein 24-jähriger ehemaliger Altenpfleger steht seit 8. November in Regensburg vor Gericht, weil er einem Heimbewohner in Cham ein Kissen auf das Gesicht gedrückt haben soll, bis der rot anlief. Für den Fall prüften Ermittler etwa 15 Todesfälle in dem Seniorenheim in Cham und ließen Leichen von drei Bewohnern exhumieren. Mitte Dezember verurteilte das Landgericht Regensburg den Mann zu einer Bewährungsstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung.

Wenn sich das Opfer mit dem Täter verlobt

Im Oktober muss sich ein 34-Jähriger aus Regensburg vor Gericht verantworten, weil er Anfang des Jahres seine Partnerin misshandelt und vergewaltigt haben soll. Doch dann nimmt der Fall vor Gericht eine überraschende Wendung. Das Opfer verlobt sich kurz vor Prozessbeginn mit ihrem Peiniger.

Die Walhalla-Connection

Vier Männer stehen in Regensburg vor Gericht. Im Verfahren ging es um rund 400 Kilogramm Marihuana und ein halbes Kilo Kokain. Bekannt geworden waren die Angeklagten allerdings unter einem anderen Namen: Die Walhalla-Connection. Im Juli werden die vier Regensburger zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb und achteinhalb Jahre verurteilt

Arztprozess mit großen Emotionen

Bei einem Rettungseinsatz im Mai 2020 unterläuft einem Notarzt aus dem Landkreis Cham ein schwerwiegender Fehler. Das Unfallopfer stirbt wenige Tage danach. Im Juli diesen Jahres muss das Chamer Amtsgericht entscheiden, ob der Mediziner den Fehler rechtzeitig hätte erkennen können.

Das Urteil des Amtsgerichts führt im Nachgang zu einem Beben am Notarzt-Standort in Furth im Wald - und dazu, dass einige Mediziner ihre Konsequenzen ziehen und die Notarztjacke an den Nagel hängen.

Ein Sturz, der viele Fragen aufwirft

Als ein Patient mit einem Personenlifter vom Bett in einen Rollstuhl gehoben werden soll, stürzt er zu Boden. Er verletzt sich am Hinterkopf, kommt ins Krankenhaus und stirbt später auf einer Palliativstation. War der Unfall 2019 in Kombination mit der Erkrankung des jungen Mannes Ursache für seinen Tod? Die Richterin spricht ein Urteil - mit „faden Nachgeschmack“.

Der Captagon-Prozess

250 Kilogramm Captagon-Tabletten auf verschweißten Paletten, versteckt zwischen Splittsäcken in einer Lagerhalle nahe Laberweinting im Kreis Straubing-Bogen. Seit dem Frühjahr 2022 sitzen Yunus P. Und Ahmed W. (beide Namen geändert) auf der Anklagebank des Landgerichts Regensburg. Es folgt ein langer Prozess, der von vielen Verzögerungen geprägt war.

Erinnerungslücken im Regenstaufer Erpresser-Fall

Ein Überfall mit einer Reizstoffpistole, ist Richterin Elke Escher überzeugt, bleibe einem für gewöhnlich in Erinnerung. Im Erpresser-Fall von Regenstauf können sich die Geschädigten hingegen vor Gericht Anfang November scheinbar kaum noch an den Vorfall erinnern.

Mutter im Beisein der Tochter getötet

Als ein Mann in der Oberpfalz seine Freundin mit einem Messer attackiert, liegt die 27-Jährige im Bett neben ihrer neunjährigen Tochter. Das Mädchen muss miterleben, wie seine Mutter qualvoll stirbt. Nun ist der Angreifer vom Landgericht Regensburg wegen Mordes verurteilt worden.

Der Rattenquäler

Auf grauenvolle Weise quält ein Mann in der Oberpfalz Ratten und amüsiert sich über die Schmerzensschreie der Tiere. Von seinen Taten dreht er Videos. Ein Gericht entscheidet Anfang November: Der 32-Jährige muss für zwei Jahre und neun Monate ins Gefängnis.

Hetzkampagne in Cham

Vor der Bundestagswahl im September 2021 sorgten die Wahlplakate „Hängt die Grünen“ für Aufregung. Viele sahen in ihnen einen Aufruf zur Exekution. Ende Oktober 2022 haben die Plakate ein juristisches Nachspiel für zwei Männer der rechtsextremen Partei Der III. Weg.
Das Amtsgericht in München verurteilte einen 42-Jährigen und einen 65-Jährigen wegen Volksverhetzung und des Aufrufs zum Totschlag.

Der Flutkanal-Prozess

Nach einer Zechtour fällt im September 2020 ein 21-Jähriger betrunken in den Flutkanal in Weiden. Seine Freunde filmen den Sturz und fahren dann nach Hause. Er ertrinkt. Ein Jahr später erhalten zwei seiner Begleiter eine Haftstrafe. Im September 2022 bestätigt auch der Bundesgerichtshof das Urteil, nachdem die Verteidiger in Revision gegangen sind.