Historische Artikel

So sahen Nachrichten in der "Landshuter Zeitung" vor 100 Jahren aus

Wie hat man in den 1920er-Jahren eigentlich Meldungen verfasst? Welche Themen waren wichtig? Wie ging man mit Persönlichkeitsrechten um? Wir haben im Archiv nachgeforscht.


Viel Text und viel Persönliches herrschten einst in der "Landshuter Zeitung" vor. Deren Stil hat sich im Lauf der Zeit sehr verändert.

Viel Text und viel Persönliches herrschten einst in der "Landshuter Zeitung" vor. Deren Stil hat sich im Lauf der Zeit sehr verändert.

Im Landshuter Hagrain wird ein Kind vermisst. Der Bub ist zehn Jahre alt und schon seit fast einer Woche verschwunden. Dann erst erscheint die Meldung unter "Lokales", und die Beschreibung ist lapidar: "Trägt grauen Mantel und Handschuhe". Meldungen über vermisste Kinder gab es in der "Landshuter Zeitung" früher öfter, ohne dass in der weiteren Berichterstattung darauf eingegangen worden wäre. Welches Schicksal sich dahinter verbirgt, ob die Kinder je wieder heimgekommen sind - es ist aus der Zeitung nicht zu erfahren. Da ist die Berichterstattung schon ausführlicher, wenn etwa der bei einem Bürgermeister bedienstete "Futterbube" von einem Pferd geworfen wird und einen Hufschlag auf den Kopf erhält, "so daß Knochensplitter ins Gehirn drangen". Persönlichkeitsrechte galten wenig.

Ausführlich beschrieb man, dass "die Tochter des bekannten Fliegeroffiziers von Adam, die als Zögling im Max Joseph-Stift in München interniert ist und nur während der Weihnachtsferien hier weilte", beim Rodeln außer Rippen-Quetschwunden und Hautabschürfungen auch innere Verletzungen davongetragen hat, "die einen hohen Blutverlust zur Folge hatten." Und wenn ein "hiesiger Installationsarbeiter" im Bach bei Löschenbrand eine Bisamratte erlegt hat, ist das ebenfalls ein Fall für eine ausführliche Meldung. Denn dafür gab es Fangprämien. Der Schwerpunkt in wirtschaftlich harten Zeiten war ein anderer als in Zeiten allgemeinen Wohlstandes. Dafür nahm man es mit dem journalistischen Grundsatz "Namen sind Nachrichten" früher ganz genau: Namen und Herkunftsorte wurden in den meisten Meldungen dezidiert genannt, vor allem aber, wenn es sich um Gerichtsberichte handelte.

Stets Details zu Namen und Todesursachen

So war es vor 100 Jahren noch geläufig, dass es etwa hieß, der 37-jährige Bauer Johann Dimpflmoser aus Hintergneisling sei wegen Giftmordes an seiner Ehefrau Genoveva, geborene Grammelhuber, zur Todesstrafe verurteilt worden - um ein fiktives Beispiel zu nennen. Da wurden die näheren Umstände des Mordfalles eingehend beschrieben wie kommentiert. Und es ist von ruchloser Mörderhand die Rede, die eine treubesorgte Mutter auf dem Gewissen hat. An unappetitlichen Darstellungen von verbrecherischen Handlungen oder auch Unglücksfällen weidete man sich damals ganz offensichtlich, wie sich aus der Berichterstattung über zerstückelte Leichen und zerschmetterte Glieder entnehmen lässt.

Auch die klar ersichtliche Trennung von redaktionellen Texten und Anzeigen war seinerzeit kein Thema. So stößt man auf einer Seite mit grafisch gestalteten Todes- und Kleinanzeigen auf die Überschrift: "Wie altern Frauen?" Und erfährt in einem sachlich anmutenden, reinen Fließtext, dass das Geheimnis jugendlichen Aussehens im Verzicht auf häufiges Waschen mit Seife beruhe. Weil nämlich das hauteigene Fett einer Austrocknung entgegenwirke. "Frauen, die das wissen, reinigen die Haut durch das Bestreichen mit Marylan-Creme und durch Abreiben mit einem guten Frottiertuche", hieß es weiters mit dem Hinweis, dass man sich unter einer genannten Adresse an die Vertriebsfirma wenden könne, um eine Probe dieser Schönheitscreme zu erhalten. Über Frauen wurde im Übrigen oft recht despektierlich berichtet. Da war dann etwa die Rede von "Weibspersonen" oder einer "stattlichen Tante".

Augenfällig platziert wurden auch Anzeigen für ein podologisches Pflaster mit dem markanten Werbespruch "Hühneraugen groß und klein beseitigt Kukirol allein". Die Werbung benutzte schon gerne allerlei Superlative, aber noch drastischer praktizierten das die Kinobetreiber. Etwa mit der Ankündigung eines "Attraktionsprogramms", dem Versprechen von "allerersten Darstellern" oder "Ein pompöser Film, der die ganze Welt entzückt". Von ausgesuchter Höflichkeit waren einst die Ankündigungen zu gesellschaftlichen Anlässen wie einer Redoute, einem Tanzkränzchen oder einem Haustanz, mit dem Vermerk, es ergehe "ergebenst Einladung".

Dem gefürchteten "Raum für Notizen" im Fall, dass die gedruckten Meldungen einmal nicht ausreichen könnten, um eine ganze Zeitung zu füllen, wurde offensichtlich mit einer Notlösung begegnet: Da wurde kurzerhand ein Gedicht veröffentlicht, zumeist in pathetischen Reimen. Und sogar Satirisches gab es in unserer Zeitung schon in früheren Zeiten: Da lässt sich ein "Dr. Schnoferl, diplomatischer Delikatessenspezialist" süffisant aus über "Politische Sensationen". Und ein "Privatier Dickerl" räsoniert, dass ihn die Finanzpolitik der vergangenen Jahre um sein "behäbiges Bäuchlein" gebracht habe und er seinem Namen nun gar nicht mehr gerecht werde.


Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Beilage "175 Jahre Mediengruppe Attenkofer".