Landshut

Immer mehr Ausländer auf Hartz IV angewiesen


Deutsch zu lernen ist für Flüchtlinge die Grundvoraussetzung, um eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu haben - und damit nicht dauerhaft auf Transferleistungen des Staates angewiesen zu sein.

Deutsch zu lernen ist für Flüchtlinge die Grundvoraussetzung, um eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu haben - und damit nicht dauerhaft auf Transferleistungen des Staates angewiesen zu sein.

Von Johannes Viertlböck

Die Zahl der ausländischen Hartz-IV-Empfänger in Stadt und Landkreis Landshut steigt sprunghaft an. Wie die Arbeitsagentur Landshut-Pfarrkirchen auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte, waren im April dieses Jahres - aktuellere Daten sind noch nicht verfügbar - 1.206 Ausländer im Landkreis regelleistungsberechtigt. Das waren genau doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. Gegenüber April 2012 hat sich die Zahl demnach sogar mehr als vervierfacht.

Einen ähnlichen, wenn auch nicht ganz so stark ausgeprägten Trend verzeichnet die Arbeitsagentur in der Stadt Landshut. Dort waren im April 2016 exakt 1.389 Ausländer auf Hartz-IV angewiesen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutete das eine Zunahme um 251 Personen oder gut 22 Prozent. Und gegenüber dem Sechsjahrestief vom April 2012 ist ein Plus von 689 Personen zu registrieren, was praktisch einer Verdoppelung entspricht.

Syrer stellen die größte Gruppe der Betroffenen

Die Gründe für diesen Anstieg sind laut Dr. Sascha Zirra, der die Arbeitsagentur Landshut-Pfarrkirchen seit August leitet, in der Flüchtlingszuwanderung zu suchen. "Der Anteil der Geflüchteten an den Hartz-IV-Beziehern steigt seit 2015 stark. Dadurch nimmt natürlich auch der Ausländeranteil entsprechend zu", sagt er. Diese Analyse wird durch die aktuelle Statistik bestätigt. Denn wenn man die Herkunftsstaaten der in der Region Landshut regelleistungsberechtigten Ausländer betrachtet, so fällt auf, dass die meisten von ihnen aus Syrien stammen. Das gilt in besonderer Weise für den Landkreis: Im April 2016 bezogen dort 627 Syrer Hartz-IV. Ihr Anteil an allen ausländischen Betroffenen beträgt damit 52 Prozent. In der Stadt ist dieser Wert mit etwa 26 Prozent zwar nur halb so hoch: Mit 362 Leistungsberechtigten stellen die Syrer aber auch dort vor Rumänen (259) und Türken (128) die größte Gruppe.

Steil nach oben geht in der Folge natürlich auch der Ausländeranteil an allen Hartz-IV-Beziehern. Er lag in der Stadt im April bei 42,1 Prozent der insgesamt 3302 Leistungsbrechtigten; im Landkreis waren von den 3.005 Hartz-IV-Empfängern 40,1 Prozent Ausländer. Diese hohe Quote sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die Gesamtzahl der Leistungsberechtigten in der Region im Bundesvergleich nach wie vor gering ist, so Zirra. "Dafür wiederum ist der sehr starke Arbeitsmarkt verantwortlich." Die Zahl der deutschen Hartz-IV-Bezieher sinke daher seit vielen Jahren: Im Landkreis von 2.433 im April 2010 auf 1.788 im April 2016; in der Stadt ist im selben Zeitraum ein Rückgang von 2.481 auf 1.879 deutsche Leistungsberechtigte zu verbuchen.

Einen weiteren Grund für den relativ hohen Flüchtlingsanteil an allen Hartz-IV-Beziehern sieht Zirra darin, dass im Raum Landshut gestellte Asylanträge offenbar vergleichsweise schnell abgearbeitet wurden. Nach ihrer Anerkennung beantragen viele Leistungen bei den Jobcentern. Die Folge: Viele anerkannte Flüchtlinge tauchen nun in der Hartz-IV-Statistik auf.

Viele Flüchtlinge sind "noch weit weg vom Arbeitsmarkt"



Wie aber können diese Asylberechtigten möglichst rasch vom Leistungsbezug in Lohn und Brot gebracht werden? Dies ist für Zirra eine der zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre. Positiv bewertet er, dass "die allermeisten Flüchtlinge sehr motiviert" seien. Doch er verschweigt auch die Schwierigkeiten nicht: "Viele sind noch weit weg vom deutschen Arbeitsmarkt." Das liege beispielsweise daran, dass es in ihren Herkunftsländern keine mit hiesigen Standards vergleichbare duale Ausbildung gebe. "Wir können daher nicht nach dem klassischen sequentiellen System vorgehen", so der Agenturleiter. Dieses sehe an erster Stelle den Spracherwerb und erst danach weitere Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt vor.

Zirra hält es für sinnvoller, diese Elemente parallel einzusetzen - "beispielsweise, indem die Asylberechtigten Deutsch lernen und begleitend ein Berufspraktikum absolvieren". Das habe den Vorteil, dass die Betroffenen schnell mit der Arbeitswelt in Kontakt kommen und über den Berufsalltag die in Deutschland geltenden Werte kennenlernen. Die Arbeitsagentur weiß in diesem Bestreben starke Partner aus der regionalen Wirtschaft an ihrer Seite. Zum Beispiel BMW mit dem Programm "Work Here", in dem Praktikumsstellen für Asylbewerber sowie anschließend eine Ausbildung angeboten werden. Die erste Welle dieses Projekts sei gut gelaufen, so Zirra. Viele Teilnehmer hätten danach über Zeitarbeitsfirmen eine Stelle erhalten. "Das ist ein guter erster Schritt auf den Arbeitsmarkt."

Bei Zeitarbeit müsse es freilich nicht dauerhaft bleiben. Auch aufgrund der hohen Arbeitskräftenachfrage und dem rückläufigen Fachkräftepotential in der Region komme der innerbetrieblichen Weiterbildung immer mehr Bedeutung zu. "Die Qualifizierungen für Menschen mit Fluchtgeschichte wurden zusätzlich zu den umfangreichen Qualifizierungs- und Weiterbildungsaktivitäten für inländische Personen geschaffen", so Zirra. "Wir haben hierfür bewusst zusätzliche Gelder bekommen."

Mehr zum Thema lesen Sie in der Landshuter Zeitung vom 8. August 2016.