Neue Ausstellung

Vor 150 Jahren: Chams Aufbruch in die Moderne


Stadtarchivar Timo Bullemer berichtet beim Rundgang durch die Ausstellung von den ersten Dampfsägewerken, die ab 1873 in Cham die Industrialisierung angeschoben haben.

Stadtarchivar Timo Bullemer berichtet beim Rundgang durch die Ausstellung von den ersten Dampfsägewerken, die ab 1873 in Cham die Industrialisierung angeschoben haben.

Das Museum Spur kehrt am Osterwochenende mit einer neuen heimatgeschichtlichen Ausstellung aus der Winterpause zurück. Heuer hat sich Stadtarchivar Timo Bullemer dem Cham des Jahres 1873 angenommen.

Vor genau 150 Jahren brach die Stadt auf in die industrielle Zukunft. Damals gründeten die Nürnberger Holzhändler Karl und Adolf Kröber das erste Dampfsägewerk in Cham, was der Stadt einen enormen Aufschwung beschert habe, sagt Bullemer beim Presserundgang durch das Erdgeschoss des Museums. Anhand von historischen Fotos, Abbildungen und erläuternden Texten erzählt die Ausstellung unter dem Titel "Cham 1873. Mit Dampf und Holz in die Moderne" die Anfänge der Holzindustrie, die die Stadt für Jahrzehnte prägte.

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In der Ausstellung ist auch ein Modell des ersten Chamer Bahnhofsgebäudes samt seiner Umgebung zu sehen. Fotos: Michaela Sturm

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Historische Fotos und Erläuterungen stellen die frühe holzverarbeitende Industrie in Cham dar.

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Auch Produkte der Firma Borger sowie Werbeprospekte mit Möbeln der Firma Schoyerer sind zu sehen.

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Eine Ausbuchtung am Floßhafen - hier aus der Zeit vor 1914 - diente lange zur Holztrift.

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Im ersten Stock des Museums ist weiter die Ausstellung über die Gruppe Radama zu sehen - hier Skulpturen von Gretel Eisch.

Holz für die großen Städte

"Es waren vor allem auswärtige Unternehmer, die hier einen Betrieb einrichteten", sagt Bullemer. Die Kröbers aus Nürnberg sind nur ein Beispiel. Als Holzhändler kannten sie die Region. In den Jahren zuvor hatten Stürme für ein großes Holzangebot gesorgt. Cham hatte zudem seit 1861 einen Eisenbahnanschluss, was ganz neue Möglichkeiten brachte, das Holz aus dem Bayerwald in die großen Städte zu transportieren. Nahe der Bahnstrecke, an der heutigen Frühlingstraße, die damals bezeichnenderweise den Namen "bei den Dampfsägen" bekam, entstand das erste Werk. Heute erinnert daran nur noch das einstige Wohnhaus der Familie - die Kröber-Villa.

In den folgenden Jahren entstanden weitere Dampfsägen. 1879 gründete der Chamer Valentin Frey den zweiten derartigen Betrieb in Cham, verkaufte ihn jedoch zehn Jahre später an den ebenfalls aus Nürnberg stammenden Unternehmer Ludwig Carl Gebhardt. "Gebhardt ist die einzige Firma aus jener Zeit, die es bis heute gibt", sagt Bullemer. Carl Clémençon, ein Schweizer, und der aus Sachsen stammende Johannes Melchior betrieben weitere Dampfsägen. Später kaufte Max Borger - den Namen kennen die Chamer noch von der einstigen Borger-Villa am Stadtpark - die Melchior-Säge. In der Spulenfabrik Borger sei vor allem weiches Birkenholz verarbeitet worden. Einige Stücke zeigt die Ausstellung. Genau wie einen Werbeprospekt der Möbelfabrik Schoyerer, die es unter anderem zum königlichen Hoflieferanten brachte. "Sie ist auch eine der Firmen, die von den Dampfsägen und der Holzindustrie in Cham profitierten", sagt Bullemer.

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts diente der Regenfluss als Transportweg der Hölzer. Vom Floßhafen aus wurden im Frühjahr, nach der Schneeschmelze, die drei Meter langen Stämme weiter auf die Reise zu den Sägen in der Frühlingstraße geschickt. Allerdings sei dies teuer und aufwendig gewesen, weshalb zunehmend Eisenbahn und dann Lastwagen zum Einsatz kamen. Endgültig habe der Bau des Höllenstein-Kraftwerks 1924 dieser Praxis gesetzt, erklärt der Stadtarchivar.

Die Stadt wächst

Apropos Eisenbahn: Vom ersten, 1898 bereits wieder abgerissenen Bahnhofsgebäude in Cham gibt es kaum Abbildungen. Doch mit Hilfe von Plänen, die Bullemer im DB-Museum in Nürnberg gefunden hat, konnte der Modellbahnfreund Udo Uecker aus Dalking ein Modell anfertigen, das ebenfalls in der Ausstellung präsentiert wird. Mit dem ursprünglich auf der grünen Wiese vor den Toren der Stadt gebauten Bahnhof entstanden entlang der Waldmünchner Landstraße - ab 1880 die nach König Ludwig II. benannte Ludwigstraße - neue Firmen- und Behördengebäude, wie das Forstamt, das Amtsgericht und das Krankenhaus. Die Stadt wuchs.

Und noch ein markantes Ereignis prägte das Jahr 1873 in Cham. Am Morgen des 23. Juli brach ein großer Stadtbrand aus, der den östlichen und südlichen Teil der Innenstadt in Schutt und Asche gelegt habe, erzählt Bullemer. Beim Wiederaufbau habe man anstatt der alten Gassen breitere Straßen angelegt. So entstanden etwa die Untere und Obere Regenstraße sowie die Fuhrmannstraße. "Die war vorher eine Sackgasse", sagt Bullemer. Auch das bedeutete für Cham einen Aufbruch in die Moderne.

Gruppe Radama

Die Ausstellung im ersten Stock des Museums Spur über die Künstlergruppe Radama wurde verlängert und ist nun noch bis zum 25. Juni zu sehen. Eröffnet worden war sie im vergangenen Jahr im Beisein der mittlerweile verstorbenen Bildhauerin Gretel Eisch. Sie, Maler Erwin Eisch und Bildhauer Max Strack unterhielten engen Kontakt zur Gruppe Spur.

Am Sonntag, 16. April, führt Dr. Ingrid Moor vom Museum Lothar Fischer in Neumarkt durch die Ausstellung.