75 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg

Karl Gutscher ruht in fremder Erde

Der Volksbund Kriegsgräberfürsorge hilft Gefallene und Vermisste ausfindig zu machen


Die logische Konsequenz des Krieges - frei nach dem preußischen Militärwissenschaftler Carl von Clausewitz - muss stets der Tod vieler Menschen sein.

Die logische Konsequenz des Krieges - frei nach dem preußischen Militärwissenschaftler Carl von Clausewitz - muss stets der Tod vieler Menschen sein.

Karl Gutscher ist gerade mal 18 Jahre alt, als ihn eine sowjetische Kugel trifft. Am Kopf. Er ist sofort tot. Bei den Abwehrkämpfen der 1. Panzer-Armee in den Ostkarpaten fällt der junge Mann aus Neukirchen beim Heiligen Blut bei Abwehrkämpfen im Rückzug, die die Wehrmacht seit Stalingrad schlagen muss. Gegen die Rote Armee haben Gutscher und seine Division schlechte Karten. Nach Ende der Schlacht liegen mit ihm 3 000 weiterer Männer fernab der Heimat in der Erde der heutigen Slowakei.

Sein Schicksal teilt der Bayerwäldler mit rund 5,1 Millionen deutschen Soldaten. Sie alle ließen im Zweiten Weltkrieg ihr Leben. Skrupellose Demagogen und Ideologen zwangen sie in einen Kampf auf Leben und Tod. In den sechs Jahren während der Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges verloren Familien ihre Söhne, Brüder und Väter. Nicht selten gibt es keine Gewissheit, was mit ihnen passiert ist. Helfen kann ihnen der Volksbund Kriegsgräberfürsorge.

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Auch dieses gesunkene Kriegsschiff ist ein Kriegsgrab.

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Zwei Brüder sterben am selben Tag.

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Dr. Dario Vidojkovic, Geschäftsführervom Volksbund.

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Gräber soweit das Auge blickt.

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Gräber soweit das Auge blickt.

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Im Zweiten Weltkrieg starben in jeder Stunde, die dieses Völkerschlachten dauerte, etwa 100 deutsche Soldaten. Insgesamt um die fünf Millionen.

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Noch 75 Jahre nach Ende des Völkerschlachtens gelten viele ehemalige Frontkämpfer als vermisst und warten auf ein würdiges Begräbnis. Der Bezirksgeschäftsführer des Verbandes, Dr. Dario Vidojkovic, erläutert die Arbeit des Verbandes. Gegründet wurde der Verband nach Europas Urkatastrophe, den Ersten Weltkrieg. Mittlerweile kümmert sich der Verband um 832 Kriegsgräberstätten in 46 Ländern rund um den Globus. Für die Hinterbliebenen organisiert der Verband Besuche zu den Ruhestätten der Verwandten. Wie jene in der Slowakei.

Und so standen Fanny und Erwin nach 64 Jahren endlich am Grab des Bruders, der im Jägerregiment 54 seinen Dienst tat und dort einen schnellen Tod starb. Auf der Höhe 814, 14 Kilometer nördlich Snina, ließ er sein junges Leben. Den Moment, als sie vor dem Massengrab stand, nennt Fanny "ergreifend". Mit der Reise erfüllten die Geschwister vor etwa zwölf Jahren das Versprechen an die verstorbenen Eltern. Die wünschten sich, das Grab des gefallenen Sohnes und Bruders möge gefunden werden. Doch die Erfüllung dieser dauerte einige Jahrzehnte, bis sich schließlich der Volksbund meldete. Aber es war für Familie Gutscher eine wichtige Meldung.

Fanny Mauerer kennt ihren Bruder Karl zwar nur vom Bild. Denn sie ist noch nicht einmal ein Jahr alt, als er fällt. Fanny aber weiß, dass der Verlust tiefe Wunden bei Eltern und älteren Geschwistern schlug. Sie erinnert sich an Erzählungen über den Bruder. An Gespräche über den Tag, als der Bote anmarschierte und die Mutter erahnte, dass Karl nicht mehr kommen würde. Fanny erinnert sich an die unzähligen Momente, in denen die Mama aus zunächst unerklärlichen Gründen weinte. "Für Angehörige kann die Ungewissheit über den Tod eines Angehörigen oder darüber, wo er beerdigt ist, eine große psychische Belastung sein", sagt Vidojkovic. Er habe mehrmals selbst erlebt, wie wichtig das Thema sei "und wie es auf der Seele brennt, endlich Gewissheit über das Schicksal des Vaters, Bruders, Großvaters oder Onkels zu erfahren". Vidojkovic glaubt, die Verbandsarbeit habe gerade für Hinterbliebene einen sehr hohen Stellenwert, "auch heute noch". Gerade die Kriegskindergeneration hat nur ganz vage Vorstellungen oder flüchtige Bilder vom Vater im Kopf. "Aber es ist eben immer noch der Vater und man möchte, man muss für sich über sein Schicksal Klarheit haben."

Um Gefallene zu finden, und sie zu identifizieren, ist allerdings einiges an Recherchearbeit nötig, erklärt der Bezirksgeschäftsführer. Karten der Truppenteile mit ihren Bewegungen oder Verweise auf Standorte an der Front geben den Forschern eine Orientierung. Schwierig wird's, wenn Unterlagen beim Rückzug verlorengingen, die Einheiten aufgerieben oder gar vernichtet wurden. Ab und an spielt dem Volksbund der Zufall in die Hände. Wenn bei Ausgrabungsarbeiten Leichname der Gefallenen auftauchen, die bis dahin vermisst galten, lassen sich über Ausrüstungsgegenstände und eventuell vorhandene Erkennungsmarken herausfinden, wer da liegt. Die unbekannten sterblichen Überreste bekommen dann einen Namen. Bei fehlender Hundemarke jedoch ein Ding der Unmöglichkeit. In manchen Fällen, wie bei Karl Gutscher, gelingt dennoch die Identifikation. An der Straße 33 kam er bei einem Gefecht am frühen Morgen ums Leben. Ein Bekannter hat der Familie davon nach seiner Heimkehr davon erzählt. "Krieg ist nix g'scheit's", beendet Fanny das Gespräch.

Info

An den Volksbund können sich Interessierte via Telefon, E-Mail oder Fax wenden. Auf der Homepage www.volksbund.de gibt es unter dem Reiter Service nähere Infos.