AZ-Interview mit BLLV-Präsidentin

Simone Fleischmann: "Wir fordern knallharte politische Aussagen"


Simone Fleischmann ist seit 2015 Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnen-Verbandes (BLLV).

Simone Fleischmann ist seit 2015 Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnen-Verbandes (BLLV).

Von Katharina Federl

Die BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann über die Forderungen der Pädagogen vor dem Start des Schuljahrs.

München - AZ-Interview mit Simone Fleischman. Die 49-jährige Pädagogin aus München ist seit 2015 Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnen-Verbandes (BLLV).

AZ: Frau Fleischmann, wie stehen Sie zu der Frage der Abstandsregeln? Sollten diese fallengelassen werden?
SIMONE FLEISCHMANN: Ob die Abstandsregeln fallen oder nicht, entscheidet nicht eine Präsidentin, ein Schulleiter oder ein Lehrer vor Ort. Das muss die Staatsregierung entscheiden. Die Verantwortung muss hier an oberster Stelle getragen werden. Der BLLV definiert eindeutig: Kontinuität in diesem Schuljahr bis Ende Juli. Keine Veränderungen. Keine Irritationen. Alle brauchen wir nun Sicherheit und Stabilität.

Wie groß dürfte die Personallücke sein, die aufgrund der Zugehörigkeit von Lehrern zu Risikogruppen entsteht?
Wir wissen von Zahlen die von zehn bis 30 Prozent schwanken. In der Grundschule sollen es aktuell zwölf Prozent sein, die in die Risikogruppe fallen. Entscheidend ist aber nicht der Durchschnitt, sondern die Situation vor Ort. Deswegen fordert der BLLV lokal und regional spezifische Modelle. Hohe Eigenverantwortung vor Ort. Hundertprozentige Rückendeckung durch das Kultusministerium. Und ein Schulkonzept, das vor Ort gestrickt wird auf Grundlage von knallharten politischen Ansagen.

Fleischmann: "Das einzige, was helfen könnte, wären zusätzliche Lehrer"

Wegen des ausgefallenen Unterrichts wird das Schuljahr nicht wie gewohnt beginnen können. Wie gravierend ist dieses Problem?
Das neue Schuljahr kann nicht nur wegen ausgefallenen Unterrichts nicht normal beginnen, sondern auch weil die Normalität in der Gesellschaft fehlt. Zuallererst geht es um die soziale und emotionale Entwicklung aller Schülerinnen und Schüler. Dann geht es darum, dass wir die Lernstände so gravierend unterschiedlich erleben werden wie noch nie. Die Heterogenität wird noch mal größer sein. Das einzige, was helfen könnte, wären zusätzliche Lehrer, multiprofessionelle Teams und viele Möglichkeiten der Förderung, Individualisierung und Differenzierung. Hier holt uns aber die zweite Krise ein: der Lehrermangel!

Unterricht soll nach Ansicht der Ministerpräsidenten auch im Freien, in Containern und in Kongresshallen stattfinden können. Wie stehen Sie dieser Idee gegenüber?
Wo der Unterricht stattfindet, muss regional und dezentral entschieden werden. Wie Schule starten kann, lässt sich nur regional beantworten. Das hängt von der Personalsituation ab, von der Situation des ÖPNV, von der Einhaltung von Hygienestandards und auch von den räumlichen Situationen. Wenn alle Kinder unterrichtet werden sollen und Abstand gewahrt werden muss, dann geht es nur mit doppelt so vielen Räumen.

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