Politik

Olaf Scholz und Indiens Premierminister Narendra Modi: Wie wär's mit uns?

Der Bundeskanzler begibt sich in Indien sowohl politisch als auch wirtschaftlich auf Partnersuche. Das hat viel mit Russland zu tun - und mit China.


Freundliches Händeschütteln: Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) und der indische Premierminister Narendra Modi am Hyderabad House, dem Gästehaus der indischen Regierung in Delhi. Scholz erhofft sich von seiner Reise, Indien auf Deutschlands Seite zu ziehen - in mehreren Bereichen. Foto: Michael Kappeler/dpa

Freundliches Händeschütteln: Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) und der indische Premierminister Narendra Modi am Hyderabad House, dem Gästehaus der indischen Regierung in Delhi. Scholz erhofft sich von seiner Reise, Indien auf Deutschlands Seite zu ziehen - in mehreren Bereichen. Foto: Michael Kappeler/dpa

Von Stefan Lange, mfi, asg, Ima

Neu-Delhi - Mit einem Interview in der Zeitung "Times of India" hatte Olaf Scholz seinen Staatsbesuch atmosphärisch gut vorbereitet. Er sei dankbar, in Indien zu sein, und freue sich, Premierminister Narendra Modi wiederzusehen, sagte der SPD-Politiker.

Drei Mal sind sich die beiden bereits begegnet. Sein Besuch in Neu-Delhi war nicht nur das vierte Aufeinandertreffen - Scholz begegnete sich auch ständig selbst: Dutzende Plakate mit seinem Konterfei säumten die Straßen und hießen den Staatsgast willkommen.

Den Einwohnerinnen und Einwohnern von Neu-Delhi, wo Scholz nach durchflogener Nacht am Samstagmorgen Ortszeit mit der Regierungsmaschine landete, bescherte der Staatsbesuch lange Staus. Zahlreiche Straßen waren komplett gesperrt, um der Kolonne des Kanzlers freie Fahrt zu garantieren. Bewaffnete Sicherheitskräfte blockierten Ausfahrten von Häusern.

sized

Olaf Scholz (l.) besichtigt die E-Mobilität-Firma Sun Mobility mitGründer Chetan Maini im indischen Silicon Valley Bengaluru.

sized

Mission Personalgewinnung: Scholz spricht in Bengaluru mit indischen Fachkräften, die vor der Ausreise nach Deutschland stehen.

Der Ton zwischen den beiden Politikerin ist herzlich, man lacht viel, Modi nennt Scholz "meinen Freund". Der Premierminister ist den Deutschen aber vor allem als ernsthafter Gesprächspartner bekannt. Er gilt als einer, der genau zuhört und zu seinem Wort steht. In diesen unruhigen Zeiten kommt es darauf gerade besonders an.

Der Ukraine-Krieg und seine Auswirkungen sind bei der zweitägigen Indienreise des deutschen Regierungschefs allgegenwärtig. Indien hat sich in der UN-Vollversammlung bei der Abstimmung über eine Resolution zum Rückzug Russlands der Stimme enthalten. Das Land verhält sich seit dem Einmarsch der Russen neutral, die Enthaltung war nicht anders erwartet worden.

Scholz kann das nicht kritisieren, er würde damit die Bemühungen unterlaufen, Indien in der Russland-Frage auf die Seite Deutschlands zu ziehen. Der Kanzler bleibt deshalb diplomatisch. Das Vorgehen der Russen werde auch von den Ländern als Angriffskrieg bezeichnet, die sich in New York der Stimme enthalten hätten, stellt er fest. Tatsächlich spricht Modi bei einem gemeinsamen Pressestatement in der englischen Übersetzung von "Krieg".

Diplomatisch geschickt agiert Scholz auch beim Thema Rüstungsexporte. Indische Medien berichten von sechs U-Booten, die das Land kaufen möchte. Ein Stückpreis von einer Milliarde Euro wird kolportiert. ThyssenKrupp Marine Systems käme dafür in Frage, der Konzern ist in der Wirtschaftsdelegation vertreten, die Scholz begleitet.

Doch noch stehen viele Fragezeichen hinter dem Deal, unterzeichnet wird in Neu-Delhi nichts. Die Inder wollen dem Vernehmen nach erreichen, dass die U-Boote in ihrem Land gebaut werden. Das könnte schwierig werden, und dann ist da auch noch die Koalition in Berlin. Die Grünen stehen Rüstungsexporten an Drittstaaten mindestens skeptisch gegenüber.

Scholz bestätigt die U-Boot-Frage indirekt, erklärt, man habe "über die Sicherheitszusammenarbeit" gesprochen und "auch über konkrete Dinge geredet". Ob es am Ende tatsächlich einen Vertrag über die Tauchboote geben wird, bleibt abzuwarten. Dem indischen Wunsch nach Rüstungsexporten wird sich der Kanzler kaum verschließen. Noch bezieht Indien den größten Teil seiner Waffen von Russland. Wenn Berlin möchte, dass sich das ändert, muss es Alternativen anbieten.

Neben der Diplomatie geht es dem Kanzler aber vor allem auch um wirtschaftliche Zusammenarbeit. Denn Deutschland kann mit Spitzenstandorten in Nordamerika, Westeuropa und Skandinavien kaum noch mithalten, lautet das niederschmetternde Ergebnis des jüngsten ZEW-Länderindex - eine verlässliche Erhebung, die regelmäßig von der der Stiftung Familienunternehmen in Auftrag gegeben wird. Im Vergleich von 21 Industriestaaten ist Deutschland auf Platz 18 abgerutscht.

Wer's nicht glaubt, kann auf andere Warnsignale schauen. In China, einst ein Absatz-Garant, werden deutsche Autobauer zunehmend von der heimischen Konkurrenz abgehängt. Insgesamt will man wirtschaftlich unabhängiger von China werden. Das aufstrebende Indien könnte ein Gegengewicht zu dem Land sein.

Um die Wirtschaftsbeziehungen auszubauen sollte die Zahl der Beschäftigten der 1800 deutschen Unternehmen dort "massiv erhöht" werden, teilte der Kanzler mit. Scholz machte sich zudem für einen möglichst baldigen Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Indien stark.

Verhandlungen gab es von 2007 bis 2013. Damals scheiterten die Gespräche und wurden erst im vergangenen Jahr wieder aufgenommen. "Ich bin dafür, dass wir jetzt mehr Druck entwickeln, dass wir einen großen Willen entwickeln", sagte Scholz.