Freie Wähler

Mini-Konflikte mit dem großen Partner

Ein Jahr nach Besiegelung der schwarz-orangen Koalition in Bayern arbeiten die Freien Wähler verstärkt an der Schärfung eines eigenständigen Profils


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Der Fraktionsvorsitzende der Freie-Wähler-Landtagsfraktion Florian Streibl (l-r), der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) unterhalten sich bei der Abschluss-Pk nach der Klausurtagung der Freie-Wähler-Landtagsfraktion. (Archivfoto: 13.09.2019, Bayern, Garmisch-Partenkirchen)

Vor ziemlich genau einem Jahr besiegelten CSU und Freie Wähler (FW) ein Regierungsbündnis für Bayern. Ein Jahr später bietet die schwarz-orangene Koalition ein stabiles Bild. Allerdings mehren sich auch die Anzeichen, dass der kleinere Koalitionspartner sich um sein Profil sorgt und in einigen Fragen den begrenzten Konflikt mit der CSU einzugehen bereit ist. Dabei spielen auch die bevor stehenden Kommunalwahlen eine Rolle.

Ein entsprechendes Signal setzte Fraktionsvorsitzender Florian Streibl auf der Herbstklausur der FW-Landtagsabgeordneten. "Wir sind kein Hallelluja-Verein des Ministerpräsidenten", sagte Streibl. Nicht alles, was Markus Söder (CSU) in jüngster Zeit an umwelt- und klimapolitischen Initiativen vorgestellt habe, finde man "prickelnd". Die FW würden es begrüßen, wenn sich der Ministerpräsident mit dem Koalitionspartner zusammensetze, bevor er zum "Vorpreschen" ansetze.

Viereinhalb Monate vor den bayerischen Kommunalwahlen am 15. März ging auch Söder ein klein wenig auf Distanz zu den Orangenen. Auf dem vergangenen CSU-Parteitag erinnerte der CSU-Chef den Koalitionspartner daran, dass sie alle Entscheidungen in der Landespolitik mittragen und warnte: "Von den Entscheidungen in München kann sich keiner vom Acker machen. So etwas dürfen wir nicht durchgehen lassen. Auch nicht unseren Freunden von den Freien Wählern".

Nachdem die Inhalte der CSU-FW-Landesregierung vor einem Jahr in Rekordzeit verhandelt und unterschrieben worden waren, hatte es in der Partei und auch unter den Freien Wähler-Parlamentariern, die nicht zu ministerialen Ehren gekommen waren, gegrummelt. "Wir haben schon viele Kröten schlucken müssen", so ein Parlamentarier. Eine besonders dicke Amphibie war die Festschreibung der 10H-Abstandsregelung für Windkraftanlagen auf Druck der CSU. Die Folge war, dass im ersten Halbjahr 2019 im Freistaat nicht ein einziges Windrad errichtet wurde. "Ich bin darüber nicht glücklich, trotzdem komme ich aus dem Koalitionsvertrag nicht heraus", sagte der FW-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger kürzlich.

"Lukrative Angebote" statt CSU-Abstandsregelung

Aiwanger will jetzt den Kommunalpolitikern "lukrative Angebote" machen, damit sie der Errichtung von Windrädern zustimmen. Denn wenn die betreffende Kommune zustimmt, kann der Mindestabstand zur Wohnbebauung (Zehn Mal die Höhe der Anlage) unterschritten werden. Aiwanger weiß als Energieminister sehr genau, dass noch dringend Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien im Freistaat zugebaut werden müssen.

Nicht glücklich ist man bei den Freien Wählern auch mit den von den CSU-Innenminister Joachim Herrmann (Land) und Horst Seehofer (Bund) immer wieder verlängerten Grenzkontrollen an den drei Autobahnübergängen von Österreich nach Bayern. Die verkehrshemmenden Kontrollen hätten nur Symbolwert und sollten allein der Profilschärfung der CSU dienen, ist aus den FW-Reihen zu hören. Fraktionschef Streibl ist auch der Ansicht, dass man die starren Kontrollen zu Gunsten von mehr Schleierfahndung im Grenzraum abschaffen sollte, will sich deshalb aber mit dem Koalitionspartner - noch - nicht anlegen.

Informationsfreiheitsgesetz und Absenkung des Wahlalters

Bei kleineren Projekten gehen die Freien Wähler offen auf Gegenkurs zur CSU. Mit dem CSU-Abgeordneten Klaus Holetschek wurde zwar ein "Bürgerbeauftragter" installiert, doch der ist entgegen den früher publizierten Vorstellungen der FW bei der Staatsregierung angebunden und nicht mit den nötigen Befugnissen ausgestattet, um Bürgeranliegen wirksam zu befördern. Vor vier Jahren, als die FW noch die Oppositionsbank drückten, legten sie einen Gesetzentwurf zur Einführung eines deutlich durchschlagskräftigeren "Bürgerbeauftragten" ein, der mit Zweidrittelmehrheit vom Landtag gewählt nur seinem Gewissen unterworfen sein und als "oberste Dienstbehörde" Einsichtsrecht in Behördenakten haben sollte. Das Vorhaben eines echten Bürgerbeauftragten werde zu gegebener Zeit wieder aufgegriffen, sagte Fraktionschef Streibl.

FW-Rechtspolitiker Alexander Hold machte sich kürzlich für ein "Informationsfreiheitsgesetz" stark, dem die CSU immer noch skeptisch gegenüber steht. Ein solches Gesetz, das außer Bayern alle anderen Länder außer Sachsen und Niedersachen eingeführt haben, sei "unerlässlich", so Hold. In den Zeiten der Opposition hatten die FW ein entsprechendes Gesetz vorgelegt. Jetzt wurde das Thema von der Landtags-FDP erneut aufgegriffen.

Wenn es nach den Freien Wählern und ihrem jugendpolitischen Sprecher Tobias Gotthardt geht, sollen an der übernächsten bayerischen Kommunalwahl im Jahr 2026 auch Jugendliche unter 18 Jahren teilnehmen können. Auch das ist ein Vorhaben, das beim Partner CSU nicht gerade auf begeisterte Zustimmung stößt. Doch Gotthardt meint, die CSU-Kollegen überzeugen zu können, auch mit Druck: Zu diesem Zweck haben die FW einen "JuBeL"-Pakt ins Leben gerufen - einen Pakt "für Jugendbeteiligung auf Landesebene".